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in schmeichelhafter und wohlwollender, manchmal aber auch in scherzhafter und scharf
ironischer Weise. Besonders gegen Junggesellen werden schneidige Witze gerichtet. Manche
ukrainische Lieder enthalten deutliche Erinnerungen an den lydischen Astartecultus.
Durch den Einfluß der Geistlichkeit wurde vieles Althergebrachte von diesen küpsto-
Bräuchen abgestreift und an vielen Orten beschränkt man sich am St. Johannistage darauf,
daß die Strohdächer der Wohnhäuser und Wirtschaftsgebäude mit Feldahorn und Klette
geschmückt werden und daß die Mädchen aus Sinngrün, Basilienkraut, Minze und dergleichen
gewundene Kränze in die Kirche zum Einweihen bringen, worin sie Mittel gegen Krank-
heiten und gegen Zauber des bösen Geistes erblicken.
Zu den Jahresfesten zählt auch die Erntefeier (übZxnky), welche zum Schluß
der Ernte mit Schmaus, Sang und Tanz veranstaltet wird, woran sich verschiedene
Bräuche knüpfen. Das Erntefest wird vom Gutsbesitzer, Pfarrer und überhaupt von jedem
größeren Grundwirthe veranstaltet. Die zur Beendigung der Ernte versammelten Schnitter
arbeiten an diesem Tage nicht für Lohn, sondern werden auf dem Felde mit Brod und
Branntwein bewirthet (totolca), der eigentliche Empfang findet Abends nach beendeter Arbeit
auf dem Hof des Grundwirthes statt. Den Hauptgegenstand des Ceremoniells bildet der
mit rothen Bändern geschmückte Ährenkranz. Derselbe wird einem durch Arbeitsamkeit und
Unbescholtenheit hervorragenden Mädchen, welches kniakMia genannt wird, aufs Haupt
gelegt, welche in Begleitung von zwei Brautjungfern (cki-uök^) dem Erntefestzug voran-
schreitet, den die Schnitter mit Sicheln und Sensen bilden. Unterwegs, sowie auch bei der
Ankunft am Hof werden Erntefestlieder angestimmt, in denen Wirth und Wirthin wegen
ihrer Fürsorge und Umsicht, sowie wegen ihrer Gastfreundschaft gepriesen und ersucht
werden, den Schnittern ein Festmahl zu bereiten. Vor dem Wohnhause werden die
Schnitter vom Wirthe empfangen, dem die Braut (kniak^nia), sich verbeugend, im Namen
des ganzen Erntefestzuges Glückwünsche darbringt. Der Grundwirth nimmt den Ähren-
kranz vom Kopfe der Braut in Empfang, beschenkt dieselbe und ladet alle Schnitter zum
Schmause ein. Nach dem Schmause folgt eine Tanzunterhaltung mit Musik.
Die üblichen Tänze bei dem rnthenischen Volke sind der und die
Der ist ein fröhlicher Tanz, welcher sich durch äußerst behende,
ja geradezu stürmische Bewegungen auszeichnet, als gelte es, auf den Feind loszuschlagen.
Der Tänzer singt dabei ein Lied meist humoristischen oder überhaupt heiteren Inhaltes vor,
sowie auch die Weise des Liedes sich immer in Our bewegt. Die Melodien der kolomHka
bewegen sich dagegen in der Regel in Uoll und die hin und wieder wechselnden Takte in Dur
steigern noch mehr den melancholischen Anstrich und wecken schwärmerisches Sinnen.
Sobald die Feldarbeiten zu Ende geführt sind und der Spätherbst heranrückt, kommt
die Zeit der Abendunterhaltungen (vvee^ern^ei) und Zusammenkünfte, welche in der
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch