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Der Einfluß der deutschen Colonisation in den größeren Städten auf die gesaminte
Cultur des Landes ist unermeßlich. Wohl gab es eine Zeit, in der die rasch aufblühenden
Städte im Vollgefühl der eigenen Kraft und Bedeutung und im stolzen Bewußtsein, sich
auch auf die mächtigen Städte in der alten Heimat stützen und verlassen zu können, dem
nationalen Elemente gefährlich wurden, so daß Bedenken wach wurden, ob die Coloni-
sation auch wirklich ersprießlich gewesen sei. Sobald aber diese Gefahr durch das entschiedene
Auftreten des Königs Wtadyslaw Lokietek beschworen und durch die weisen Einrichtungen
seines Nachfolgers Kazimir des Großen aus immer beseitigt war, zeigte sich erst recht der
segensreiche Einfluß des ins Land verpflanzten Culturelementes.
Die von den Deutschen bevölkerten Städte, am nördlichen Karpathenabhang, an
dem großen osteuropäischen Handelswege gelegen, wurden bald zu wichtigen Stapelplätzen
von ausländischen und inländischen Producten. Sie umgaben sich mit Mauern und Gräben
(Krakau schon um 1288), zunächst wohl zu eigener Sicherheit, sie wurden aber dadurch
auch zu wichtigen Bollwerken für das Land. In Ruhe nnd Sicherheit erblühte das Hand-
werk und das Gewerbe. In den Verzeichnissen der Zünfte, denen die Vertheidigung der
einzelnen Theile der Stadtmauer und der verschiedenen Basteien oblag, finden wir schon
im XIV. Jahrhundert Schwertseger, Messerschmiede, Bäcker, Tischler, Schuster, Bierbrauer,
Sattler, Schneider, Kürschner, Handschuhmacher, Hutmacher, Posameutirer, Weiß- und
Rothgerber, Schmiede, Metzger, Tuchmacher, Maler, Schnitzer, Barchentmacher, Wollen-
weber. In besonderem Ansehen standen die Waffenschmiede und die Gold- und Silber-
arbeiter, deren Erzeugnissen der Werth von Kunstgegenständen beigelegt wurde. Eine
hervorragende Bedeutung und einen hohen ökonomischen Werth erlangten aber auch jene
Zünfte, welche sich mit der Verarbeitung der inländischen Rohprodnete (Häute, Wolle,
Blei u. s. w.) befaßten und diese Beschäftigung in solchem Maße betrieben, daß sie nicht nur
den Bedürfnissen des Landes gerecht wurden, sondern ihre Fabrikate auch nach fernen west-
europäischen Handelsplätzen sandten, wo dieselben sich eines ehrenvollen Rufes erfreuten.
Wissenschaft und Poesie fanden in der neuen Heimat keine besondere Pflege.
Soweit der aufs Praktische gerichtete Sinn der Kolonisten den Bedürfnissen des Geistes
und des Gemüthes gerecht zu werden für nöthig erachtete, wurden die Leistungen des
Mutterlandes zu Hilfe genommen, was der lebhafte Verkehr ohne Mühe gestattete.
Mit dem Reichthum kam aber bald die Vorliebe für äußere Pracht und mit ihr
stellte sich auch die plastische Kunst ein. Die Häuser der vorsorglichen und gewerbthätigen,
reichen und selbstbewußten Bürger dehnten sich aus und schmückten sich innen und außen
mit manchem Gegenstande der Kunst und des Kunstgewerbes. Die deutsche Baukunst hielt
auch bald ihren Einzug und obgleich sie in mancher Beziehung gewisse besondere Kenn-
zeichen annahm, so zeigen doch die aus jenen Zeiten stammenden prachtvollen Bauten
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch