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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Volume 19
Page - 476 -
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Page - 476 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Volume 19

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476 in Polen nnd Rußland, in Rumänien und Ungarn. Dort leben sie in großen compacten Mengen, eine Welt für sich bildend, als Nation mit eigener Sprache, die sie aus ihrer früheren deutschen Heimat mitbrachten, und eigener aus dem XIV. Jahrhundert ererbten und zähe beibehaltenen, durch Verjährung ihnen fast religiös ehrwürdig gewordenen Tracht. Merkwürdigerweise ist die allgemein bei den Juden in den slavischen Ländern im Gebrauch stehende Umgangssprache die eines Volkes, das ihnen die schwersten Leiden zufügte und die so rigoros gehütete Tracht dieselbe, die ihnen vor etwa einem halben Jahrtausend aufgezwungen wurde! Sie besteht bei Männern aus Schuhen und Strümpfen, kurzen unterhalb der Knie gebundenen Hosen, einem langen schwarzen Kaftan mit Gürtel, einem Sammtkäppchen, das auch im Schlafe nicht abgelegt wird, auf dem Kopfe, der beim Ausgehen mit einer hohen Pelzmütze nach Perserart bedeckt wird. Über diesen Kleidern trägt man bei feierlichen Anlässen im Sommer einen schwarzseidenen Talar, im Winter einen Pelz. Die Frauen tragen über dem knappen Kleide eine Spitzenschürze, auf der Brust ein rothes, goldgesticktes Plastron aus Atlas oder Sammt, nm den Hais eine fältige Krause und auf dem kurzgeschorenen oder rasirten Haupte über färbiger Haube von tiefer Form eine Art Halbkrone aus Perlen und Edelsteinen. Diese ganze, bereits im Schwinden begriffene Tracht ist äußerst decent und möglichst unkleidsam. Was noch wesentlich dazu beitrug die polnischen Juden in einer mumienhaften Starrheit zu halten, waren die cultnrellen Verhältnisse im Lande. Der gebildete Adel, der stets eine exceptionelle Stellung einnahm, hielt sich fern; der slavische Bauer ist unwissend; der geringe Bürgerstand verhielt sich aus Gründen des Erwerbes und der Concurrenz den Juden gegenüber feindlich, so daß diesen jede Anregung von außen wie jede innere Neigung fehlte, aus den zum Theile selbst gezogenen Schranken herauszutreten. In fortwährendem Kampfe mit dem Leben ruhten sie in der Idealwelt, in der Familie und Synagoge aus, betrieben mit großem Eifer das Studium von Bibel und Talmud, ohne die Befreiung des Geistes von den engen Fesseln anzustreben, während sich anderseits die Regierungen um die geistige Hebung der Juden nicht viel zu kümmern pflegten. So war es bis zur Regierungszeit Kaiser Josef II. Dieser edle Herrscher war bestrebt, die unter seinem Scepter lebenden Juden aus ihrer Lethargie aufzurütteln und sie einem menschen- würdigen Dasein zuzuführen; doch scheiterten manche der bestgemeinten Maßregeln an der Macht der Verhältnisse und an der Zähigkeit, mit der die galizischen Juden an den Herkömmlichkeiten festhielten, so daß nur das erreicht wurde, was sich durch äußere Nöthigung erreichen ließ. So wurden sie auch zur Annahme fester Familiennamen verhalten. Bis dahin machten sie sich durch Beisetzung des Namens des Vaters und zuweilen, zur genaueren Jdentificiruug. auch des Geburts- oder Wohnortes kenntlich; wie: Abraham ben Jakob Sassower, das heißt Abraham der Sohn Jakobs aus Sassöw.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild Galizien, Volume 19
Title
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Subtitle
Galizien
Volume
19
Editor
Erzherzog Rudolf
Publisher
k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
Location
Wien
Date
1898
Language
German
License
PD
Size
16.48 x 22.34 cm
Pages
920
Keywords
Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
Categories
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