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Aufsteigen der Sterne ein einziger, langgedehnter Posaunenschall das Ende des langen,
martervollen Tages verkündet und die erschöpfte Menge, in einen letzten kräftigen Ruf
„Gott ist einzig!" ausbrechend und sich gegenseitig beglückwünschend, heimwallt, sündenrein
und hoffnungsfreudig.
Fünf Tage darauf begeht man das neuntägige Laubhüttenfest, zur Erinnerung an
das Zeltleben der Juden während ihrer vierzigjährigen Wanderschaft durch die Wüste.
Alle Mahlzeiten dürfen nur in der geschmückten Laubhütte eingenommen werden und znr
Erinnerung an das gelobte Land wird beim Mvrgengottesdienst ein Strauß aus Palmen-
zweigen, Myrthen und Cedern MkroFim) nach allen vier Weltgegenden geschüttelt. In
das Laubhüttenfest fällt auch der große Hofiannatag, an welchem das am Versöhnungstage
gefaßte himmlische Urtheil endgiltig da oben verkündigt wird. Noch im letzten Momente wird
die Gnade Jehovas stürmisch angerufen: „Hosianna! Hosianna! Hilf! Hilf!" Der Schluß
dieser Feiertage ist der Jubeltag der Thora, aus der man an diesem Tage das letzte Capitel
verliest, um sofort mit der feierlichen Verlesung des ersten zum Anfang zurückzukehren. Die
Jugend erhält Fähnchen, brennende Wachskerzen und rothwangige Äpfel; die Männer
tanzen mit den geschmückten Thorarollen, singen, trinken nnd geben Freudenschüsse ab.
Diesem Feiertage folgt zu Anfang des Winters das siebentägige Makkabäerseft —
Ehanuka — zur Erinnerung an die wunderbaren Siege der Makkabäer über die Syrier und
die Einnahme der Burg von Jerusalem 141 v. Chr. Der entweihte Tempel soll nach dem
erfochtenen Siege mittelst eines unversiegbaren Krügleins heiligen Öles wieder geweiht
worden sein; daher dies Fest von den Juden das Einweihungsfest genannt wird. Am ersten
Abend zündet man ein Lämpchen an, und an jedem folgenden Abend um eins mehr bis
zu sieben.
Das nächste Erinnerungsfest ist der Purim oder das Hamanssest, zur Feier der
angeblich durch Mardochai und Esther bewirkten Errettung der durch deu Einfluß
Hainaus im ganzen persischen Reiche der Vernichtung geweihten Juden. Am Vortage
wird gefastet, eingedenk des Fastens Esthers. Am Vorabend verliest man in der Synagoge
die Erzählung von der beabsichtigten Ermordung der Juden, von dem sieghaften Eintreten
des schönen Mädchens bei König Ahasver zu Gunsten ihres Stammes, von dem Widerruf
der dem Minister ertheilten Vollmacht, von der Begnadigung der Juden, der Erhöhung
Mardochais und der Hinrichtung Hamans und seiner Söhne. Am Purimtage wird diese
Erzählung wiederholt und die armen Gemeindemitglieder werden beschenkt nnd gespeist.
Auch die Wohlhabenden schicken sich gegenseitig kleine Geschenke, Süßigkeiten und Weine
zu; Abends finden heitere Spiele und Festessen statt.
Ein wahrhaft poetisch angehauchtes Fest bilden die achttägigen Osterseiertage,
welche an der Wende zwischen dem starren Winter und dem knospenden Frühling
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch