Page - 537 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Volume 19

537 gewissen Familienereignissen im Dorfe oder auf den Wegen, besonders an Kreuzwegen, Crucifixe oder Heiligen-Figuren aufstellt. In Waldgegenden verfertigt man diese Kreuze aus Holz. Dort, wo Steinbrüche existiren, liefern diese das Rohmaterial für solche Gegenstände, deren Erzeugung nach alter Tradition der Gegend hausindustriell betrieben wird. Zu Trembowla werden Schleifsteine für Sensen in Massen angefertigt nnd in solchen Ort- schaften, wo, wie im Böbrker Bezirk, Gyps und Alabaster oder wo, wie in der Gegend von Krakau, Marmor und Porphyr sich vorfinden, sind örtliche kleine Hausindustrien entstanden, neben denen sich auch schon ein kleingewerblicher Betrieb entwickelt. 8. Frauenarbeit . Welche Erzeugnisse unserer Hausindustrie wir hier in die Kategorie der eigentlichen Frauenarbeit aufnehmen sollen, ist sehr schwer zu entscheiden, denn fast bei allen Erzeugnissen unserer Hausindustrie ist auch Frauenarbeit thätig. Hier kommen nur solche Erzeugnisse unserer Hausindustrie in Betracht, welche ausschließlich vou Frauenhänden verfertigt werden. In erster Linie müssen wir die weißen und bunten Stickereien, die in sehr vielen Gegenden von Ostgalizien, besonders in Podolien, am Duiester und Prnth, an Hemden getragen werden, erwähnen; ganze Ärmel und öfters auch die Vorderseite des Hemdes werden mit Stickerei geziert. Diese Stickereien unterscheiden sich sehr in Muster, Technik und Ausführung. Die Frauen fertigen dieselben aus buntem Zwirn oder buuter Wolle, welche sie selbst färben und präpariren, nach traditioneller Weise. Die bunten Stickereien sind vollkommen waschecht, äußerst dauerhaft und sehen immer frisch und hübsch aus. Aber auch diesem Zweige unserer Hausindustrie droht der Verlust seiner originellen Muster lind der Harmonie der Farben durch Anwendung neuer, ganz unpassender Stickmuster und der Anilinfarben. Aus Raummangel müssen wir manche kleinere Frauenindustrien, meistens mehr örtlicher Natur, wie Hauben- und Gürtel- Fabrikation ?c. übergehen und erwähnen nur die allgemein verbreitete, von Frauen geübte Sitte, die Ostereier zu färben und zu bemalen. Es gibt hierzulande zwei Gattungen von Ostereiern: mit einer Farbe, ohne Muster gefärbte „krassanki- (gefärbte) und mit mehreren Farben und mit verschiedenen Mustern bemalte „pisanki" (die beschriebenen oder die geschriebenen), von denen jene mehr in West-, diese mehr in Ostgalizien gebräuchlich siud. Oft aber wechseln beide Gattungen je nach verschiedenen Orten. Es gibt z. B. Gegenden, wo die bemalten Ostereier üblich sind, und dicht daneben liegt ein Dorf, wo nur einfach gefärbte vorkommen. Die Muster sind von einer bewunderungswürdigen Reichhaltigkeit und Mannigfaltigkeit. Man findet in einem und demselben Dorfe die größte Verschiedenheit in Muster und in Farbe, jedoch haben gewisse Gegenden ihren eigenthümlichen Typus. Es ist manchmal überraschend, wie so ein altes Bauernweib mit grober Hand die oft sehr feineu Muster ausführen kann. Die Muster gehen von Mutter auf Tochter über, und es liegt in ihnen ein Schatz alter nationaler nnd volksthümlicher Ornamentik.