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XI. Jahrhundert zieht sich dieser Zustand hin, welcher bewirkte, daß die Entwicklungsstufe,
auf die sich Europa während und infolge der Kreuzzüge emporhob, von Polen nicht
erreicht werden konnte. Erst unter Bolestaw dem Schiefmund erscheint die Machtstellung
des Landes, die Gewalt des Souveräns gesichert, die Anzahl der Bisthümer und Abteien
vermehrt, die Geistlichkeit zum großen Theile bereits aus Landeskindern zusammengesetzt:
somit waren einige Bedingungen vorhanden, um eine literarische Thätigkeit auskeimen zu
lassen. Es gehört auch wirklich in jene Zeit das erste in Polen geschriebene Werk, die
Chronik des Martin Gallus. Aller Wahrscheinlichkeit nach war aber derselbe ein
Franzose. Kaplan (und Secretär) Bolestaws und dessen eifriger Verehrer, schrieb er in
einem ziemlich fehlerhaften Latein, hie und da in Versen, seine Chronik zur Verherrlichung
seines Herrn und Helden und brach mit dem Jahre 1113 ab.
Die nach Bolestaws Tode (1139) erfolgte Theilung des Reiches, langwierige
Kämpfe zwischen dessen Söhnen und späteren Nachkommen, Schwächung des Reiches wie
der fürstlichen Gewalt, Aufkommen der geistlichen und weltlichen Herren (durch Immunitäten
und Privilegien), auswärtige Kriege und namentlich die Tatareneinfälle (seit 1241), waren
der Entwicklung der Literatur nicht förderlich, so daß wir auch aus dem XIII. Jahrhundert
nur wenige Werke aufzuweisen haben, und zwar wiederum geschichtliche, unter denen die
Chronik des Vincenz Kadlubek, Bischofs von Krakau, zuletzt Cistereienser Mönches in
der Abtei Mogila (gestorben 1223), das bedeutendste ist. Ihm znr Seite stehen die
Chroniken des Boguchwal, Bischofs von Posen, und des Baszko, Domcnstos daselbst.
Martinus Polonns, ein in Rom lebender Dominicaner, machte sich daselbst durch eine
Chronik der Päpste und Kaiser berühmt. Dagegen ist doch die Bildung im Laufe des
XIII. Jahrhunderts im Steigen. Polnische Schüler studireu an fremden Universitäten. In
Bologna ist schon im Jahre 1265 eine besondere polnische nutio nachweisbar. Kloster- nnd
Pfarreischulen werden zahlreicher; die beiden neuen Orden der Franciscaner und Dominicaner
verbreiten sich auffallend schnell und tragen jeder nach seiner Art zum Fortschritt der
Civilisation bei. Die Kirchen und Grabmäler aus dieser Zeit sind schon beachtenswerth,
einige schön im vollen Sinne des Wortes. Zur Wiederbelebung der durch die Tataren-
einfälle verwüsteten und zertrümmerten Städte werden deutsche Ansiedler mittelst großer
Begünstigungen herbeigeführt. Ihre Anzahl, ihre starke zünftige Organisation, ihre Privilegien
hatten zur Folge, daß sie ihren deutschen Charakter lange bewahrt und denselben den
Städten, vor allen Krakau, eingeprägt haben. Zum ökonomischen Aufschwung dieser Städte
haben die fleißigen und rührigen deutschen Kaufleute und Handwerker viel beigetragen;
auf die Ausbildung der polnischen Literatur konnten sie freilich keinen Einfluß üben.
Nachdem Wladysiaw Lokietek die politische Einigung des Reiches durchgeführt
hatte, gewann Polen unter seinem Sohne, Kazimir dem Großen, eine ansehnliche Stellung
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch