Page - 605 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Volume 19
Image of the Page - 605 -
Text of the Page - 605 -
605
vertauschen, ist um so schwieriger, als nur einer bekannt, der andere aber infolge verwickelter
Abenteuer seit seiner Geburt verschwunden ist. Und doch läßt sich das Herz der schönen
Witwe nie irreführen und weiß immer den richtigen, den geliebten (den unbekannten und
unglücklichen) zu errathen. Durch sentimentale Empfindsamkeit und patriotische Exaltation
ist die Malv iua ein treues Abbild der Zeit, in der sie entstanden ist. Ihre Verfasserin
aber war die Herzogin Mar ie von Würt temberg-Montbsl iard , geborene Prinzessin
Czartoryska.
Im Jahre 1768 geboren, wurde sie, kaum erwachsen (1784), mit dem Herzog Ludwig
von Württemberg vermählt. Der juuge Herzog behandelte seine Gemalin so schlecht, daß
sie nach einigen Jahren ins väterliche Haus zurückzukehren sich genöthigt sah. Im Kriege
des Jahres 1792 machte er sich eines gemeinen Verrathes schuldig, indem er als General
im Dienste der Republik auf die Seite der russischen Truppen überging. Die unglückliche
junge Frau lebte seitdem nur ihren Eltern und barmherzigen Werken. Die Literatur aber
war ihr Zeitvertreib. Eine literarische Stellung beansprnchte sie nicht. Aber sie sah, wie
alle umher bemüht waren, das in polnischer Sprache zu schaffen, was andere Literaturen
besaßen. Während also die Männer auf dem Gebiete der Dichtkunst lind Wissenschaft
thätig waren, wollte sie sich auf dem bescheidenen Gebiete des Romans versuchen, denn es
soll, es muß ja auch polnische Romane geben! Das ist der Entstehungsproceß der
anspruchslosen und sentimentalen Malvine. Die Schriftstellerin pflegte ihre greise Mutter
bis zu deren Tode (1835) und verließ nachher das Schloß Sieniawa in Galizien, um die
Verbannung ihres Bruders zu theilen. Sie starb in Paris 1854.
Unter den jüngeren Romanschreibern der Zeit ist vorallenClementineHossmann,
geborene Tanska zu erwähnen, die sich besonders in der pädagogischen Literatur aus-
gezeichnet hat, aber auch auf dem Gebiete des Romans manches Gute, besonders
schöne kleinere Novellen hinterließ. Als gelungener historischer Roman in Walter Scotts
Art muß die Po ja ta von Bernatowicz erwähnt werden, eine Erzählung, in der
verschiedene interessante Liebesabenteuer um die Bekehrung Lithauens gruppirt sind.
Es möchte anffallend scheinen, daß Galizien an der Literatur jener Zeit einen so
äußerst geringen Antheil nimmt; es läßt sich das aber dadurch erklären, daß diese Provinz
seit dem Jahre 1773 von dem übrigen polnischen Leben abgeschnitten, sich in Schule
uud Amt einer fremden Sprache bedienen mußte, was selbstverständlich auf die Entwicklung
der literarischen Talente nachtheilig wirkte. Die von Kaiser Josef II. 1784 gegründete
Lemberger Universität konnte diesen Schaden nicht ersetzen. Das einzige, was das Land
im Anfang des XIX. Jahrhunderts für Wissenschaft und Cultur aus sich hervorgebracht,
ist das National-Justitut, welches Graf Josef Maximil ian Ofsolinski in Lemberg
gründete. Sein großes Vermögen hat er seiner Stiftung vermacht, die aus einer überaus
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch