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Romane gleichsam als Fortsetzung des ersteren, ?otc»p (Flut) und den Herrn
Woiodyjowski erscheinen, in denen zum Theil dieselben Figuren auftraten, und die
von den competentesten Kritikern (wie Julian Klaezko) dem ersteren gleichgestellt wurden.
Unmittelbar danach warf sich Sienkiewiez mit erstaunlicher Elasticität aus ein völlig
neues Feld, indem er in seinem Ohne Dogma das Pnbliknm mit einer tiefen, geistreichen
psychologischen Studie der modernen Gegenwart überraschte. Auf den willenlosen,
lebensunfähigen, ästhetisch zu rafsinirten, moralisch marklosen Helden des genannten
Romans folgte in der soeben zu Ende gebrachten Famil ie Potanieeki eine treffliche
Bildergallerie, in welcher gesunde, normale, thatkräftige Naturen im Gegensatze zu allerlei
Schwächen und Krankheiten unserer Zeit auftreten. Soeben hat Sienkiewiez das t>uc»
vadis, eine Erzählung aus Neros Zeiten, vollendet, dessen Ausführung ein wahrhaftig
überraschendes, stets im Wachsen begriffenes Talent bezeugt.
Unter den Romanschreibern der Gegenwart ist nach Sienkiewiez Elise Orzeszko am
bedeutendsten.
Eine eigenthümliche Erscheinung ist Gras Albert Dziednszyeki, dessen Leistungs-
fähigkeit und Wißbegierde die verschiedensten Wissensgebiete umspannt. Er übersetzt
Sophokles, behandelt in seinen „Briefen aus dem Lande" alle möglichen Fragen des
gegenwärtigen politischen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Lebens und findet daneben
noch Zeit, Romane und Gedichte zu schreiben. Alles, was er schreibt, zeugt von
ungewöhnlicher Begabung und schriftstellerischem Talent, nur daß diese Begabung eben zu
umfassend und daher seine Wirksamkeit etwas zerstreut ist.
Als ein originelles Talent ist der auf dem Landsitze Kalinöw bei Sambor wohnhaste
Heinrich Lisicki zu nennen. Sein reizbares Temperament, seine schneidige und malieiöse
Schreibart läßt ihn zuweilen einseitig und voreingenommen erscheinen; als Intelligenz
und Talent aber ragt er unstreitig hervor. Das erste und zugleich das einseitigste seiner
Werke war eine vierbändige Studie über den Marquis Wielopolski (1879). Diesen«
folgte ein Leben Anton Sigmnnd Heleels (1882), ruhiger im Tone, daher auch
vollkommener in der Ausführung. Einige Studien aus der Geschichte des gegenwärtigen
Jahrhunderts, und zwar Fürst Metternich und Fürst Tal leyraud auf Grund der
veröffentlichten Memoiren, dann Napoleon III. in seinen Beziehungen zu I t a l i en
sind ganz ausgezeichnete Leistungen.
Im Lustspiel hat zwar der große Fredro keinen ebenbürtigen Nachfolger gefunden;
es tauchen aber neue und verschiedenartige Talente auf. In der ernsten, hie und da zum
bürgerlichen Drama neigenden Comödie wäre Josef Narzymski (gestorben 1873) nnd
Josef Blizinski (gestorben 1893), von den Lebenden Kazimir Zalewski (in Warschau) zu
erwähnen. Johann Alexander Fredro (gestorben 1891) hatte wohl nicht das ganze Talent
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch