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Interessanter ist das Haus des Doctor Anczewski (Ring L. 4), dem bei allen
Fehlern der Verhältnisse zur Höhe der Stockwerke und bei aller Unregelmäßigkeit in der
Anlage der drei Fenster in den Stockwerken, beziehungsweise der Parterre-Öffnungen,
doch in der Behandlung der Fenster nnd Gesimse, der Eckpfeiler und der Rustika ein
Werth zukommt. Die ganze Formgebung, welche das Aufstreben ausdrückt, klingt oben in
einen leichten Attika-Kranz mit Kegeln, Stylobaten und Volutenwindungen aus. Der
Ornamentation des Portales und der Parterrefenster fehlt es nicht an originellen Motiven,
die fignrale Bildhauerei geht aber in das Spiel architektonischer Formen über.
Das Haus Bandinelli am Ring hat eine Diamantquadernng, die in ähnlicher Weise
an den Ecken durchgeführt ist, aber nur als Pilaster mit Basen und Composit-Capitälen,
welche bei jedem Stockwerke dorisches Gebälk stützen; die Fenster mit Steinkreuzen haben
eine Pilasterumrahmuug und Spitzgiebel. Das Haus Wolf Szulzowski ist das einzige, an
welchem die Front, Pilaster welche durch die Stockwerke gehen, schmücken. Diesem letzteren
Baudenkmale reiht sich die Lemberger Architektur der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts
im Barockstile an, welche jedoch schöne Werke im Prosanbau nicht hinterlassen hat. Über-
haupt bedient sich diese Bauart in Lemberg nicht im italienischen Geiste der Arkaden um
die Haushöfe, wie das in Krakau der Fall ist. Wir können nur auf Bruchstücke solcher
Arkaden aus dem XVI. Jahrhundert neben der armenischen Kathedrale, mit schönen Säulen-
schäften in dem Hofe neben der walachifchen Kirche verweisen. Dafür findet man in
den Häusern noch so manche herrliche Renaissanceeonsolen aus Stein, welche hölzerne
Communicationsbaleone für die Wohnungen in den Stockwerken tragen. Der Lemberger
Architekt liebt es, den Säulen besonderen Schmuck zu verleihen, er bedeckt ihre Schäfte
ganz mit grotesker Ornamentation aus kleinen Pflanzen, theilt sie dnrch Ringe, wenn er
sie zum inneren Schmucke der Chambramen vereinigter Zimmerfenster benützt, wobei er
den Wandschmuck gegen die Gasse mit Sitzbänken bildet. Dieser Eigenthümlichkeit der
Wohnzimmer des XVII. Jahrhunderts gedachten wir bei Krakau. Wir siud bei dem Mangel
gleichzeitiger Denkmäler in der Umgebung Lembergs nicht im Stande zu zeigen, inwieserne
dieser Typus der Lemberger Steinhäuser auf den Organismus der Schloßarchitektur ein-
gewirkt hat; dieser Einfluß ließe sich eher in der kirchlichen Architektur zeigen, aber es
fehlen Beweise dafür, daß die in Lemberg so häufige Anwendung des dorischen Stils in
die Stiftskirche von Zötkiew und in ihr verwandte Bauten gelangt sei.
Wir gehen nun zu den Kirchenbauten über.
Wenn in der Architektur dieser Renaissance-Epoche in Galizien sich gewisse
abweichende Merkmale finden, Dank den angesiedelten fremden Künstlern und den unter
ihrer Leitung ausgebildeten einheimischen Arbeitern, so verändern sich diese Verhältnisse mit
den Kirchenbauten der Jesuiten gleich im Anfang des XVII. Jahrhunderts. Der mächtige
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Galizien, Volume 19
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Galizien
- Volume
- 19
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1898
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.48 x 22.34 cm
- Pages
- 920
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch