Page - 782 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Galizien, Volume 19

782 Acupictur. In der historischen Abtheilung der galizischen Landesausstellung vom Jahre 1894 fanden sich höchst interessante Muster alter Nadelmalerei zusammen, darunter auch rutheuisch-liturgische und israelitische. Den Sieg trng die berühmte Kmita'sche oder Sanct Stanislaus-Casel aus dem Domschatz in Krakau davon, eine herrliche, einzig und unüber- troffen in ihrer Art dastehende nadelplastische Arbeit, eine Acuseulptur im vollsten Sinne des Wortes, mit meisterhaft modellirten, beinahe vollrund heraustretenden, in technischer Hinsicht mit erstaunlicher Kunstfertigkeit ausgeführten Fignralscenen aus dem Leben des heiligen Märtyrers, ein unvergleichlich interessantes Denkmal der plastischen Stickerei aus dem Jahre 1504. Sehr beachteuswerth waren aber anch die rnthenischen kirchlichen siguraleu Stickereien mit Darstellungen des Todes Maria's, der zwölf Apostel u. s. w., in welchen die durch farbigen Grund erzielte schillernde Polychromie der Gold- und Silber- töne besonders auffiel. Diese Muster der alten Nadelmalerei waren um so interessanter, als sie fast sämmtlich den Hauptstätten der Kunststickerei, Lemberg und Krakau, entstammten. Ein großes Gebiet des ehemaligen Polen versorgten mit ornamentalem und signralem Nadelwerk die Werkstätten Lembergs, wo zu alter Zeit, bis in das XVIII. Jahrhundert hinein, eine besondere, verhältnißmäßig sehr zahlreiche Kunststicker-Zunft (pkr^ioneg) bestand, die dem interconfessionellen Charakter dieser Stadt entsprechend aus Polen, Rnthenen und Armeniern gebildet war. Gleichzeitig aber gab es anch unter den Inden Lembergs zahlreiche Kunststicker, die, wenngleich aus der Zunft ausgeschlossen, in ihrer Kunst Vorzügliches zu leisten im Stande waren, sobald sie von den Stadtconsnlen bedeutende Aufträge erhielten, wie z. B. im Jahre 1659 die Anfertigung eines seidenen, mit Jagdscenen decorirten Zeltes, welches die Stadt Lemberg als Geschenk für den König Johann Kazimir bestimmte. Die einst so blühende Kunststickerei wurde im Laufe der Zeit arg vernachlässigt und der Kirchenbedarf wurde durch banale und geschmacklose ausländische Fabrikate gedeckt. Erst in neuester Zeit, Dauk dem Erwachen des kunstgewerblichen Sinnes und unter dem segensreichen Einflüsse der durch den Staat und auch aus Landesfonds erhaltenen oder fubventionirten Fachschulen, hauptsächlich aber der Gewerbeschule, in welcher die Stickerei-Abtheilung von tüchtigen, an dem Wiener Museum für Kunst und Industrie herangebildeten Lehrerinnen geleitet wird, beginnt auch dieser edle Zweig des Kunstgewerbes lebensfrisch aufzukeimen, und auf der letzten Landesausstellung waren stilvolle Proben der Kunststickerei zu sehen, welche über das Maß gewöhnlicher Liebhaberei und häuslicher Frauenarbeit weit hinausragten. Zur Metallkunst übergehend, müssen wir den ersten Platz der Goldschmiedekunst einräumen, einer Kleinkunst, welche den nationalen Geschmack und die Sitten eines jeden Volkes vielleicht am besten kennzeichnet, da sie die mannigfaltigsten Erscheinungen seines socialen Lebens sozusagen mitbegleitet, Altar nnd Tisch, Weib und Mann, Tracht und