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in ihrem Geleite. Im Jahre 1783 betrat Josef II., unmittelbar von Siebenbürgen
kommend, am 14. Juni den Boden der Bukowina und verweilte je zwei Tage in Suczawa
und Ezernowitz (15. bis 19. Juni). In der letztgenannten Stadt hat er, unmittelbar vor
seiner Abreise am 19. Juni, jenes wichtige Handschreiben an den Hoskriegsraths-
Präsidenten Grafen Hadik gerichtet, das fast das ganze Reformwerk der Bukowina ins
Auge faßt und ein leuchtendes Zeugniß von dem weiten Blicke, der scharfen Auffassung
und der edlen Sorge dieses rastlosen Fürsten ablegt. Die künftige Stellung des Landes im
Verbände der Monarchie, die Steuerbemessung, die Robotleistuugen, die Justizpflege, die
Grenzwache, die Verpflegung des Militärs, die zur Regelung der Besitzfragen eingesetzte
Commission, die Aufhebung eines Theiles der Klöster, die Unterordnung der Bukowiner
Diöcese unter den Metropoliten vonKarlowitz, die Gesellschaftsclassen der Armenier,
Lippowauer und Juden, der Bau einer neuen Verbindungsstraße mit Siebenbürgen über
Pojana Stampi nach Borgo, endlich die Berufung des Bojaren Basilius Balschs als
Referenten in den Hofkriegsrath: dies alles ist in jenem Handschreiben in den Kreis
der Betrachtung gezogen.
Während seines fünftägigen Aufenthaltes im Buchenlande wurden dem Kaiser nicht
weniger als 297 Majestätsgesuche von Corporationen oder Privatpersonen überreicht,
die einerseits Zeugniß dafür ablegen, wie das Volk des jungen Kronlandes in der Person
des Herrschers die Quelle der Gnade und Gerechtigkeit erblickte, andererseits durch ihren
Inhalt uns einen tiefen Einblick in die socialen Verhältnisse und in die Stimmungen der
Gesellschaftsklassen jener Tage eröffnen.
Unverzüglich schritt der Hofkriegsrath zur Ausführung der in dem Handschreiben
vom 19. Juni ertheilten Befehle und ließ am 4. Juli 1783 die entsprechenden Weisungen
an das galizische Generalcommando und an Enzenberg gelangen.
Eifrig wurde nun an dem Reformwerke im Sinne des kaiserlichen Handschreibens
gearbeitet, aber dem Lande war das Glück nicht beschieden, die Vollendung der Arbeit,
wie sie geplant war, zu schauen. Sie wurde jählings durchbrochen durch die einschneidenden
Umgestaltungen, die das Jahr 1786 zum Schmerze des Landes brachte.
Es war ein merkwürdiger Zufall, daß wenige Tage nach der Abreise des Kaisers
ein langgehegter Herzenswunsch der griechisch-orientalischen Glaubensgenossen in der
Bukowina seine Erfüllung fand und die Gebeine des heiligen Joannes Novi,
dieses Nationalheiligen, am 30. Juni 1783 in dem griechisch-katholischen Basilianer-
Kloster zu Zotkiew gehoben, feierlich nach Suczawa übertragen und der früheren
Begräbnißstätte zurückgegeben wurden, der sie fast ein Jahrhundert entfremdet geblieben
waren. Die Erfüllung dieses Lieblingswunsches hängt mit der Kaiserreise durchaus nicht
zusammen, aber das Volk hat den Schleier der Sage um das Ereigniß gewoben und die
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Volume 20
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bukowina
- Volume
- 20
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1899
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.14 x 21.77 cm
- Pages
- 546
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch