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Minister Nesselrode begab, um dort die Conferenzen mit dem österreichischen Kanzler zu
pflegen, in Czernowitz vertrat denselben Graf Mercy.
Im Lande selbst hatte man keine klare Vorstellung von der Aufgabe des Kongresses.
Der gleichzeitige Chronist dieser Stadt, der uns ein sehr anschauliches Gemälde von dem
Leben und Treiben jener Tage entworfen hat, ergeht sich hierüber in schwankenden Ver-
muthungen, heute aber kann über sie kein Zweifel mehr bestehen. Die Haltung der beiden
Kaisermächte gegenüber der Erhebung der Griechen und ihre Stellung zur Pforte waren
die großen Fragen, die den Gegenstand der Verhandlungen in Czernowitz bildeten.
Welche Bedeutung diesem Congresse damals beigemessen wurde, erhellt aus dem Briefe
Gentz' an Adam Müller, wo gesagt ist: „Unermeßliche Interessen stehen auf dem Spiele, es
gilt nicht bloß die Existenz oder Nichtexistenz des türkischen Reiches, sondern den Bestand
oder die Auflösung des ganzen politischen Systems." Findet auch diese übertreibende
Äußerung in den Thatsachen nicht ihre Begründung, so wird doch der Behauptung eines
Geschichtsschreibers unserer Zeit die Berechtigung nicht abgesprochen werden können,
wenn er sagt: „Zu Czernowitz ward die Einmischung der Mächte in die griechische Sache
angebahnt." Sieben Tage währte der Aufenthalt uud die Berathung der beiden Kaiser in
Czernowitz. Erst am 13. October verließen sie die Stadt.
Wenn auch bei der Bevölkerung des Landes in dieser Zeitperiode jede Regung des
politischen Lebens schwieg, weildasSystem der Staatsbevormundung dieselbe im Schlummer
hielt, so darf doch nicht verkannt werden, daß sich in dieser Zeit des Stilllebens einige
trostverheißende Ansänge eines höheren Culturlebens auf der Bildfläche zeigten und
manches der Auszeichnung Würdige geschaffen wurde. Leider machte sich auf dem Gebiete
des Volksschulwesens in den ersten Jahren nach der Vereinigung des Landes mit Galizieu
ein bedauerlicher Rückgang bemerkbar. Das Land zählte im Jahre 1817 nur 20 Volks-
schulen (gegenüber 30 im Jahre 1787). Doch trat in den nächsten Decennien eine
Besserung dieser traurigen Zustände ein. Im Jahre 1830 zählte man 42 Volksschulen
und 23 Wiederholungsschulen. Im Jahre 1840 war die Zahl der Volksschulen auf 46,
die der Wiederholungsschulen auf 40 gestiegen. In beiden Arten von Schulen zusammen
betrug die Zahl der schulbesuchenden Kinder im Jahre 1830, 4114, im Jahre 1840
bereits 6833. Es war dies noch immer ein Mißverhältniß ärgster Art gegenüber einer
Bevölkerungsziffer von 334.080 Seelen, die das Land im Jahre 1840 zählte, und
gegenüber der Zahl der schulpflichtigen Kinder, die sich nach einer freilich unsicheren
Berechnung auf 15.142 belaufen haben soll, in Wirklichkeit aber sich viel höher gestellt
haben wird. Diesen ungünstigen Verhältnissen hat die Verordnung vom 18. Mai 1844
nur theilweise gesteuert, aber doch eine Hebung des Volksschulweseus zur Folge gehabt.
Durch sie wurden die griechisch-orientalischen Volksschulen unter die Aufsicht und Ober-
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Volume 20
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bukowina
- Volume
- 20
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1899
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.14 x 21.77 cm
- Pages
- 546
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch