Page - 220 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bukowina, Volume 20
Image of the Page - 220 -
Text of the Page - 220 -
220
daß in der Neujahrsnacht der Himmel sich öffnet, und daß die Thiere untereinander über
die Schicksale der Hausgenossen während des kommenden Jahres sprechen; daß man
zwar dies alles sehen und hören könne, doch auch während des Jahres unbedingt sterben
müsse, wenn man diese Neugierde befriedigt hat. Am Neujahrstage, zeitlich früh, kommen
wieder Colindatoren, um zu säen (eu semenatul), indem sie in Reimen die Hausgenossen
beglückwünschen (ui-sk^ü), gegen dieselben Weizensamen streuen und dafür ein kleines
Geldgeschenk, einen Kolatschen oder einen Kuchen (plücintü) erhalten.
Der Tag vor Weihnachten crüclunului) und jener vor dem Jordanfeste
bodvteaü) gelten als strenge Fasttage. Keiner der Hansgenossen erdreistet sich,
von dem mit allerlei Fastenspeisen (unter denen Fisch, Bohnen, gedörrte Zwetschken und
gekochter mit Honig eingemachter Weizen nicht fehlen dürfen) vollbedeckten Tische vor
Mittag etwas zu kosten, nicht einmal die kleinen Kinder. Davor hüten sich besonders die
Mädchen nnd Jünglinge, weil sie glauben, daß hievon nicht nur die Gesundheit, sondern
anch die Schönheit des oder der Zukünftigen und besonders der Wuchs der vollen, runden
Augenbrauen des- oder derselben abhängen. Zum Festtische setzt sich die Familie erst
gegen Abend, nachdem früher der Dorfgeistliche, der am Vorweihnachtstage mit dem Bilde
der Christi Geburt (cu ieoana), am Vorjordanstage aber mit dem Handkreuze (eu erueea)
und mit dem Weihwasser (eu aKkia8ina), unter Vorantritt einer großen Knabenmenge,
die fortwährend »ckiralesa (— schreien, das Haus besucht und den Tisch
eingesegnet hat. Der Hausherr empfängt den ankommenden Priester in der Regel mit einer
brennenden Wachskerze. Während des Absingens der üblichen Hymnen seitens des Priesters
küssen die Hausgenossen das heilige Bild, respective das Kreuz, der Priester aber besprengt
mit Weihwasser nicht nur sie, sondern auch das ganze Haus, segnet den Speisetisch ein,
beglückwünscht die Hausgenossen, erkundigt sich nach dem Befinden derselben und kostet ein
wenig von den Speisen.
Wenn die Hausgenossen sich zu Tische setzen, so unterläßt der Hausherr nicht, am
Vorweihnachtstage Bohnen auszustreuen, auf daß der Viehstand gedeihe, und am Vor-
jordanstage einen Löffel Weizen gegen die Zimmerdecke zu werfen, auf daß der Bienenstand
sich mehre und reichlichen Honig sammle. Klebt nun der Weizen oben an, so wird dies als
eine gute Vorbedeutung angesehen. Als Zeichen eines fruchtbaren Jahres gilt, wenn sich
an diesen Tagen an die Zweige der Obstbäume recht viel Reif (ekickie) ansetzt.
Das Jordansfest wird besonders feierlich begangen. Wer nur irgendwie vom
Hause abkommen kann, geht in die Kirche, um die heilige Liturgie anzuhören. Von da
geht alles, die Kirchenprocession an der Spitze, an ein fließendes Wasser oder zum
Dorfbrunnen; nur selten wird die Wasserweihe im Kirchhofe vorgenommen. Die Wasser-
weihe wird unter Pöller- oder Pistolenschüssen durch dreimalige Senkung des heiligen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Volume 20
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bukowina
- Volume
- 20
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1899
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.14 x 21.77 cm
- Pages
- 546
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch