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man die einsame Hütte des Huzulen betritt, an den Hängen des Tomnatik, oder die
blühenden, riesigen Gärten gleichenden Dörfer des Suczawer Bezirkes im Osten, an der
rumänischen Grenze: überall und immer, mögen es nun Ruthenen oder Rumänen sein,
Huzulen, Magyaren, Deutsche, Lippowaner oder Slovaken und wie sie alle heißen, die
Volksstämme, die in diesem kleinen Lande sich zusammengefunden, überall findet man
ein Bindeglied, das ihnen allen gemeinsam, ein vermittelndes Element, das sie mit gleicher
Liebe, mit gleicher Hingebung hegen und Pflegen, ihre Hausindustrie — ihren Hausfleiß.
Je nach Lebensgewohnheiten, Tracht, Sitte und Culturstufe ist allerdings in der
Bethätigung dieses Hausfleißes und in der Anwendung der gefertigten Gegenstände
mancher Unterschied zn bemerken.
Während die sogenannte einheimische Bevölkerung, Rumänen und Ruthenen z. B.
ihre gesammte Kleidung vollständig im Hause erzeugt, ihre Hemden, Kopftücher :c. mit
bunten Stickereien der originellsten Art reichlich verziert, zum Hausgebrauch und als
Paradestücke aus Hanf oder Wolle Kotzen und Teppiche mannigfacher Art herstellt,
beschränkt sich die Hausindustrie der eingewanderten Deutschen nur auf die Anfertigung
von Hausleinwand, erstreckt sich jene der Ungarn auf eine reich gestickte Ausstattung ihrer
selbstgemachten Tischtücher, Betten-, Polsterüberzüge zc.
Auch Bodenbeschaffenheit und Anbau-Verhältnisse üben hiebet naturgemäß einen
wesentlichen Einfluß aus. Während im ebenen Theile des Landes den Hanf und Flachs,
zum eigenen Bedarf und darüber, jeder Bauer selbst baut und die Wolle vom Gebirgs-
bewohner zumeist kaufen muß, ist dieser wiederum gezwungen, seinen Bedarf an Flachs und
Hanfgespinnst bei dem Thalbewohner zu holen, ihm dagegen die Erzeugnisse seines Haus-
sleißes, hauptsächlich Holz- und Lederwaaren, überlassend. Die Vermittlung hiebet fällt
fast ausschließlich den periodisch abgehaltenen Jahr- und Wochenmärkten in Czernowitz,
Sereth, Suczawa, Radautz, Kimpolung, Wiznitz und den sonstigen größeren Orten des
Landes zu und speciell die drei letztgenannten sind hauptsächlich die Sammelpunkte der
Gebirgsbewohner. Ein interessantes Bild bietet der Morgen eines solchen Wochenmarkt-
tages in Czernowitz. In hellen Haufen strömen auf allen Straßen die Landleute zur Stadt;
die Weiber zumeist im Gürtel den Spinnstock, mit der Rechten emsig den Faden drehend
und dabei die großen und kleinen Ereignisse des Tages, die Begebenheiten ihres Dorfes
besprechend. Das Verkaufsobject, einige Ellen selbstgesponnener Leinwand, zwei oder drei
Handtücher, wenn die Noth zum Verkaufe zwingt, ein Teppich oder Wollgürtel, manchmal
selbst nur eine Henne oder ein paar Eier werden in einer Umhängtasche mitgeschleppt. Es
wäre vergebliches Bemühen, der Bäuerin diese Sachen etwa zu Hause abkaufen zu wollen
und sei es selbst um höheren Preis, als sie in der Stadt dafür zu lösen hofft; ist doch dieser
Tag in der Stadt nebenbei auch ihre hauptsächlichste Unterhaltung und Zerstreuung;
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Volume 20
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bukowina
- Volume
- 20
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1899
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.14 x 21.77 cm
- Pages
- 546
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch