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insofern? eine Änderung ein, als dieses Gebiet aus dem Verbände der altrussischen
Territorien definitiv heraustrat, um mit den ostwärts angrenzenden Ländereien ein
Bestandtheil des neuentstandenen moldauischen Reiches zu werden. So wichtig aber dieses
Ereigniß in politischer und auch in anderen Beziehungen gewesen ist, auf die literarischen
Verhältnisse des Landes hatte es vorläufig keinen Einfluß. Die Literatur bewegte sich, da
auch die neuen Herren des Landes in Amt und Kirche, vorzugsweise aber in der letzteren,
sich zunächst noch des Kirchenslavischen bedienten und auch ihrer ganzen Weltanschauung
nach dem griechisch-slavischen Osten viel inniger, als dem römisch-germanischen Westen
verbunden waren, nach wie vor in den hergebrachten Geleisen. Wenn irgend eine Änderung
eintrat, so war es höchstens die, daß in Folge der numerischen Zunahme sowohl der
Bevölkerung als auch der Klöster, die in jener Zeit noch die hauptsächlichsten Pflegestätten
der Bildung und der literarischen Bethätigung waren, das Interesse für Schrift und Wissen
sich seitdem viel intensiver gestaltete als früher. Und in der That, sehen wir uns in den
noch erhaltenen Klosterbibliotheken etwas genauer um und gehen wir überdies den Resten
anderer Bukowiner Klosterbibliotheken, denen wir theils in der Bukowina selbst, theils aber
in Lemberg, Przemysl und Wien, auch an anderen Orten begegnen, nach, so werden wir
finden, daß obige Behauptung durchaus begründet ist. Auch heute noch sind unter diesen
zerstreuten und nunmehr stark zusammengeschrumpften Resten eines einst sehr beträchtlichen
Bücherschatzes außer zahlreichen liturgischen Büchern dieSchriften fast aller hervorragenderen
orientalischen Kirchenväter zu finden; ferner die in jener Zeit gangbaren kirchenrechtlichen
Compilationen, Erzählungen aller Art, und zwar sowohl die kirchlich zulässigen, als auch
die apokryphen, Erzeugnisse der älteren polemischen Literatur, historische, geographische und
naturwissenschaftliche Artikel, Fragen und Antworten, Wahrsagebücher und dergleichen mehr.
Mit einem Worte, wie in den übrigen Ländern des griechisch-slavischen Ostens, so waren
auch hier die hauptsächlichsten Erzeugnisse der damaligen byzantinischen Literatur wohl
bekannt und in zahlreichen kirchenslavischen oder auch griechischen Abschriften verbreitet.
Doch nicht allein das, was die ältere byzantinische Literatur erzeugte und südslavische
Übersetzer ins Kirchenslavische übertrugen, fand Aufnahme und Verbreitung in der heutigen
Bukowina, es gilt dies in gleicher Weise auch von den selbständigen Werken der
bedeutenderen südslavischen Schriftstellers So sind beispielsweise selbst noch unter den
soeben erwähnten Bücherresten sowohl einzelne Schriften des bulgarischen Patriarchen
Euthymius (1375 bis 1393) als auch solche des Gregorius Tzamblak (starb als Erz-
bischos von Rußland 1419) vorhanden, und wird die vom Letzteren verfaßte Lebens-
geschichte des heiligen Johannes Novi, dessen Gebeine nunmehr endgiltig in Snczawa
ruhen, in der Bukowina auch gegenwärtig vervielfältigt und gelesen. Übrigens ist auch das
in der Lemberger Universitätsbibliothek vorhandene Exemplar der Lebensgeschichten
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Volume 20
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bukowina
- Volume
- 20
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1899
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.14 x 21.77 cm
- Pages
- 546
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch