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Die Thätigkeit der Kammer, die Auflassung der Zolllinie gegen Ungarn, der
Handelsvertrag mit dem deutschen Zollverein, die Beseitigung des Prohibitivsystems,
die Entstehung von Creditinstitnten, die Einbeziehung der Stadt Czernowitz in das
europäische Eisenbahnnetz, der Abschluß der Handelsverträge mit Rußland (1860) und
Rumänien (1876), die Errichtung von Realschulen nnd gewerblichen Lehranstalten wirkten
zusammen, den Zustand der gewerblichen Industrie und des Handels zu heben.
Was zunächst das Gewerbewesen anbelangt, so hatte die anfänglich das Beste
versprechende Entwicklung des Bnkowiner Handwerkes während der politischen Wirren
des Jahres 1848 und der darauffolgenden Periode zunächst eine rückläufige Bewegung
genommen. Die Zünfte und Innungen rechtfertigten in der Folge keineswegs die in sie
gesetzten Hoffnungen, sie vegetirten kümmerlich, büßten ihr früheres Ansehen allmälig ein
und wurden sogar für ungesetzlich erklärt. Die Zahl der Gewerbsbetriebe vermehrte sich zwar
infolge zu weit ausgedehuterLiberalität in der Verleihung der Gewerbsbefugnisse, allein diese
Vermehrung geschah auf Kosten der Leistungsfähigkeit und Tüchtigkeit. Die Gewerbeordnung
vom Jahre 1859 vermochte anfänglich keine sonderliche Besserung der traurigen Zustände
herbeizuführen. Die von derselben ausgesprochene Gewerbefreiheit bewirkte, daß viele
ungenügend vorgebildete Gehilfen sich zum selbständigen Gewerbsbetriebe anschickten und
eine starke Zunahme der selbständigen Handwerksunternehmungen erfolgte. Bon dem
Jahre 1861 an trat ein Rückschlag ein und es verminderte sich die Anzahl der Gewerbs-
betriebe stetig bis in die Siebziger-Jahre. Der Ausbau der Eisenbahn bis Czernowitz hatte
diesem Verfalle nicht nur nicht Einhalt gethan, sondern denselben zunächst noch beschleunigt,
da die billigeren und geschmackvolleren Gewerbserzeugnisse des Westens, welche die Eisen-
bahn in das Land brachte, den einheimischen Producenten schwere Conenrrenz bereiteten.
Die günstige Lage von Czernowitz jedoch brachte es mit sich, daß diese Stadt noch längere
Zeit, selbst als sie infolge Weiterführnng der Eisenbahn aufgehört hatte, Kopfstation zu sein,
der natürliche Berkehrsmittelpnnkt für einen Theil Galiziens, dann Beffarabiens und
Rumäniens blieb, welcher Umstand mit der Zeit eine Erholung des Gewerbes herbeiführte.
Als jedoch im Jahre 1886 nach Ablanf des 1876 mit Rumänien abgeschlossenen Handels-
vertrages der sogenannte österreichisch-rumänische Zollkrieg ausbrach, waren die schönen
Tage für das Bnkowiner Gewerbe wieder dahin. Der rumänische Zolltarif von 1886 führte
eine Erhöhung der Zollsätze ein, die geradezu einem Einfnhrsverbote gleichkam und dem-
gemäß die gewerbliche Produetiou der Bukowina, von der mindestens die Hälfte, in manchen
Gewerbszweigen sogar 75 Procent, dem rumänischen Consnm zugeführt wurden, schwer
schädigte. Dazu kamen noch empfindliche Erhöhungen der russischen Zollsätze, durch welche
die geschäftlichen Beziehuugeu auch zu diesem Nachbarlande eine bedeutende Eiubuße
erlitten. Zum Überflusse traten die Industriellen der westlichen Provinzen, die für den
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bukowina, Volume 20
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bukowina
- Volume
- 20
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1899
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.14 x 21.77 cm
- Pages
- 546
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch