Page - 90 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Volume 22
Image of the Page - 90 -
Text of the Page - 90 -
90
die Leute mühsam etwas Erdreich zusammen, führen um den Fleck, und wäre er noch so
klein, eine Trockenmauer auf, und bauen darauf den Hafer für ihr Brot. Dieses ihr
kostbarstes Gut schmeckt, als hätte man Sand und Nadelu im Munde. Im Frühling und
Sommer essen sie häufig gekochtes Gras mit Maismehl gemengt, oft ohne Salz, denn
dieses kostet Baargeld. Das armselige Vieh muß stundenweit auf irgend eine steinübersäete
Weide getrieben werden, und vou dort wieder stundenweit zur Tränke. Die Menschen
selbst sind erdfahl, schwach, seit Generationen Physisch verkommen. Wie im Halbschlafe
leben sie dahin, fast empfindungslos für Leid und Freud. Und trotz Müh' und Plage
wird das, was sie ihre „Felder" nennen, von Jahr zu Jahr kleiner. Die Berge sind
leicht verwitterbares Schiefergestein, uud im Frühling und Herbst wird der spärliche
Culturboden mit dem befeuchtenden Regen zugleich von Geröll bedeckt, das von den
Hängen herunterkommt. So geht das Mracaj-Thal, das sich zwischen der Jlica und der
Hrsovac-Planina gegen Dalmatien öffnet, unrettbar zu Grunde. Der Mali- nnd der
Veliki-Mracaj sind Wildbäche schlimmster Art und bringen ganze Blöcke des dünn-
gcplatteten Werfuer Schiefers zu Thal, oft meilenweit das Land verwüstend.
Wenn dereinst im Türkenlande die Menschen aufeinander schlugen und die Schreie
erbitterter Kämpfer bis tief hinein in das Herz Europas drangen, so war es zumeist die
„Trockene Grenze", die Krajina, welche die Völker des Abendlandes aufhorchen machte.
Auf alten Karten bezeichnet man diesen nördlich von der Nna liegenden Theil Bosniens
als „Türkisch-Kroatien", denn mit dem wechselnden Kriegsglück lief die Grenze bald da,
bald dort. Oft war sie bis zur Uua zurückgewichen, dann fraß sie sich wieder umso tiefer
hinein in kroatisches Territorium. Alte Chroniken vermelden getreulich, welch glänzende
Waffenthaten die „Kaiserlichen" hier verrichtet, wie oft sie den frechen, räuberischen
Übermuth des „Krajisnik" gezüchtigt, wie oft aber auch die kampfgeübten Likaner von den
Heißblütigsten und Fanatisirtesten der Bosnier zurückgeschlagen wurden. Hier stand die
berühmte kroatische Militärgrenze, dieses „Bollwerk der Christenheit", unaufhörlich im
Feuer, lag unausgesetzt auf Vorpaß gegen den „Erbfeind". Zum letzten Male hatte sich das
Land gegen Ende der Siebziger-Jahre selbst zerfleischt. Die Occupatio« machte dem
Jammer ein Ende, und damit erlosch auch der letzte Funke aufrührerischen Geistes.
Nachdrücklicher hat wohl in keinem anderen Theile des Landes die Neuzeit ihr
Recht verlangt, wie eben in der wilden Krajina. Das bezeugt schon ein flüchtiger Blick
auf ihre Hauptstadt. Wenn man von welcher Seite immer hinabsteigt in das weite schöne
Becken, das der Klokot und die Una bilden, so meint man, das alte graue Bihac wäre iu
den Boden versunken, um dem freundlichen Städtchen Platz zu machen, das seine hübschen
Vororte schon weit hinaus in die wohlbestellten Felder und Wiesen entsendet. Das dicke
Mauerwerk, auf welchem Pflaumenbäume und Maisstauden wuchsen, wurde geschleift,
back to the
book Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Volume 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Volume 22
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bosnien und Herzegowina
- Volume
- 22
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1901
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.34 x 22.94 cm
- Pages
- 536
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch