Page - 224 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Volume 22
Image of the Page - 224 -
Text of the Page - 224 -
224
und daneben eine besondere Classe der Machen (altillyrisch soll es Bruder heißen), das
heißt Hirten, die dann sowohl im dalmatinisch-kroatischen Gebiete, als in Bosnien, in
Serbien und später in Siebenbürgen neben dem seßhaften Ackerbauer, dem heutigen Seljak,
als nomadisirendes Element erscheinen. Diese Wachen, das heißt romanisirte und nicht
romanisirte Jllyrier, später aus solchen Südslaven bestehend, denen entweder kein Besitz
zukam, oder die infolge der Vermehrung sich als Hirten fortbrachten, bilden eine eigen-
artige Bevölkerung, die in ihrem romanischen Theile den Grundstock der rumänischen
Natiou ausmacht uud in ihren slavisirten Schichten uns die Vorfahren der heutigen
Bocchefen und Morlaken und theilweise der hereegovinischen Karstbewohner vor Augen führt.
Diese Machen kommen auch in der bosnischen und serbischen Geschichte vor; eigene
Gesetze verbieten die HeiratzwischeudenBürgeruderStädteund den serbischen und bosnischen
Machen. Die Ursache dieses Verbotes war eben, daß derjenige, der sich mit eiuem Hirten
verband, zum Nomaden wurde und dadurch die kaum recht seßhaft gewordene Bevölkerung
sich ihrer Ansässigkeit wieder begeben hätte. Aus diesen Elementen entwickelte sich dann
nach der Völkerwanderung das Colonen- und Contadinenwesen auf der dalmatinischen
terra tirina.
Im Laufe der Völkerwanderung hat sich das den neuen Verhältnissen angepaßte
römische Wirthschaftswesen, welches in dem seßhaften Colonate seinen Ausdruck fand, den
serbischen, kroatischen und bosnischen Stammesgepflogenheiten mehr oder minder angepaßt.
Natürlich müssen in dem altslavischen barbarischen Rechte schon Grundbedingungen vor-
handen gewesen sein, die eine Vereinigung dieses neuen dalmato-serbisch-bosnischen Agrar-
wesens ermöglichten; wir brauchen daher nicht sehr weit zurückzugreifen, um behaupten zu
dürfen, daß dieses in den Einzelnheiten so mannigfaltige Agrarwefen nichts als eine
Modifikation jener Epoche der Wirthschaftsgeschichte bildet, in welcher der commune
Besitz sich zum Namensbesitz entwickelte und später auf Grundlage dieser römischen Ein-
wirkung zum Privatbesitze führte, der sich dann, mit mittelalterlichen feudalen Elementen
vermischt, weiter ausbildete.
In Bosnien und der Hereegovina sind hinsichtlich der Entwicklung der mittelalter-
lichen Agrarverhältnisse drei starke Einwirkungen maßgebend. Wie schon einmal bemerkt,
entwickelte sich in dem heutigen Nordbosnien, in den ungarischen Comitaten Vrbas, Sana,
Dnbiza und Glas (im sogenannten Unterslavonien), in den Banaten Usora, Srebrnik
und Tnzla der eigenartige ungarische adelige Besitz der seinen Ursprung in der Donation
der ungarischen und später der bosnischen Könige hatte, und auf dem die Leibeigenen zwar
auf die Dauer zur Bewirthschaftung ihrer Güter verhalten waren, aber die Freizügigkeit
doch besaßen. In den östlichen und südöstlichen Theilen sehen wir den serbischen ähnliche
Verhältnisse obwalten.
back to the
book Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Volume 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Volume 22
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bosnien und Herzegowina
- Volume
- 22
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1901
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.34 x 22.94 cm
- Pages
- 536
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch