Page - 265 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Volume 22
Image of the Page - 265 -
Text of the Page - 265 -
265
Sowie Rußland die orthodoxe Richtung förderte, trachtete Österreich die katholische
Propaganda im Nordwesten zu stärken. Schon seit 1798 wurde der katholische Bischof
Bosniens vom Kaiser Franz selbst protegirt und die Wiener Politik trachtete sich der durch
Jahrhunderte treu gebliebenen Sympathien der bosnischen, süddalmatinischen und
albanesischen Katholiken auch für die Zukunft zu versichern. Diesen Einwirkungen
gegenüber vollzog sich eine Wandlung auch bei den bosnischen und hercegovinischen
Mohammedanern. Bis zum Sistover Frieden, das heißt im Laufe der österreichisch-
türkischen Kriege, war diesem Elemente die Vertheidigung des Landes zugefallen; es
erblickte in dem Sultan das rechtmäßige Oberhaupt seiner Action, und der jeweilige
Statthalter des Sultans hatte weder Gelegenheit, noch Ursache sich der Omnipotenz der
kriegerischen Notabeln zu widersetzen. Es konnte daher auch kein Gegensatz zwischen
Constantinopel und dem Lande entstehen. Aber aus der autonomen Kriegführung
entwickelte sich im Laufe des XVII. Jahrhunderts eine gewisse mohammedanisch-politische
Autonomie, welche nach ihren Grundlagen dem ottomanischen Staatswesen gänzlich
fremd war. Der Pascha, der (seit 1639) in Travnik residirte und nur kurze Zeit im
Lande anwesend war, mußte sich bei den einheimischen Notabeln Rath erholen und dem
Einflüsse gerade derjenigen Partei freien Lauf lassen, die den zahlreichsten Anhang im
Lande hatte.
Diese Erscheinung, die nnr in Bosnien zu bemerken ist, erklärt sich aus der alten
Geschichte Bosniens. Wir glauben die bosnischen Stammeshänpter des XV. Jahrhunderts
vor uns zu sehen, die alten Bognmilen, die den Scheinkönig nach Belieben dulden, an
ihrem Glauben und au ihren alten Gewohnheiten zäh festhalten und jede fremde, auch noch
so mächtige Einmischung mit den Waffen in der Hand abweisen. Wie ehemals immer
nur die Räthe des Königs entschieden und ihm selbst nichts blieb als die großen Titel
und das Recht sein Wappensiegel anzuhängen, geradeso wurde Bosnien auch im Laufe
des vorigen Jahrhunderts, und wir können behaupten, bis zur allerneuefteu Zeit
durch die Notabelnversammlung, die der Pascha jährlich nach dem Beiram einberief,
verwaltet. Und da gab keine politisch große Idee den Ausschlag, sondern einfach das
Interesse dieser oder jener Familie, dieser oder jener Gegend, die gerade die Mehrheit
fiir sich hatte. Solange der Sultan diesen Zustand duldete, die Eeutralregierung in
Constantinopel sich nicht in die Verhältnisse einmischte, und Alles, was die Herren
in Bosnien beschlossen, guthieß, war der Sultan ihr Abgott und sie die treuesteu
Anhänger der Religion, die ja ihrer privilegirten Stellung die Kraft und den Rechts-
titel verlieh.
Als nun aber jener reformatorische Umschwung, welcher in diesem Jahrhunderte von
Constantinopel aus das gealterte Reich auf dem nenen Boden der modernen Civilisation zu
back to the
book Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Bosnien und Herzegowina, Volume 22"
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Volume 22
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bosnien und Herzegowina
- Volume
- 22
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1901
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.34 x 22.94 cm
- Pages
- 536
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch