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ziemlicher Vollständigkeit bis in das XII. Jahrhundert zurück zu überblicken im Stande sind.
Diese Sprache also, die durch Jahrhunderte die diplomatische Sprache im wechselseitigen
Verkehre zwischen den bosnischen Herrschen! und den Regierungen der benachbarten
Staaten, sowie seit jeher die Schriftsprache der Katholiken, der Bogumilen des Landes
bildete, und in welcher die ganze Literatur der Serben und Kroaten entstanden ist, wurde,
nachdem sie bereits in früheren Jahrhunderten nicht ohne wohlthuenden Einfluß
sowohl auf die Ausbildung der slavischen Amtssprache des Freistaates Ragusa, als auf
die allmälige Ausgestaltung und Läuterung der Sprache der so reichen poetischen
Literatur der ragusäisch-dalmatinischen Periode geblieben war, in der ersten Hälfte des
XIX. Jahrhunderts durch die verdienstvollen und erfolgreichen Bemühungen der Sprachen-
reformatoren Buk Stefanoviö Karadzic und Ljudevit Gaj, in der Hauptsache gerade
in der Gestalt, wie sie in Bosnien und der Hereegovina gesprochen wird, zur gemeinsamen
Literatursprache der Serben und Kroaten überhaupt erhoben.
Und nnn nur noch einige einzelne Bemerkungen zur theilweisen Charakterisirnng des
gegenwärtigen Standes der volkstümlichen Sprache in Bosnien theils im Vergleich mit
dem älteren Zustande derselben, theils im Vergleich mit der heutigen literarischen Sprache
der Serben und Kroaten. In der ganzen Entwicklungsgeschichte der Sprache läßt sich,
vielleicht mit der einzigen Ausnahme des substantivischen Genitivs plnralis, die Tendenz
zur Vereinfachung und Verminderung des Formenreichthums derselben wahrnehmen. So
sind zum Beispiel die alten Dualformen in ihrem ganzen Umfange im Laufe der Zeit
ausgestorben, und es haben auch die wenigen noch erhaltenen Reste derselben ihre eigent-
liche Bedeutung eingebüßt; bei wird nicht mehr an die Zweizahl gedacht, im Gegen-
theil spricht man für „zwei Augen" nicht „ckvhe oei" sondern pluralisch ,<Zva oka".
Ebenso ist der Sprache die Locativform des Substantivs sowohl im Singular als im
Plural mit der Zeit abhanden gekommen und durch die Form des Dativs ersetzt worden;
im Plural hat diese selbe Form außerdem auch noch der Instrumental angenommen. Nun
scheint es aber, daß dieser Ausgleichungsproceß noch immer nicht zum Abschluß gelangt
ist; es wird nämlich auch der Vocativ in der gewöhnlichen Rede allgemein immer mehr
durch den Nominativ ersetzt; so werden zum Beispiel Leute ohne schulmäßige Bildung,
gleichviel welcher Consession sie angehören, einen Lehrer niemals weder schriftlich, noch
mündlich mit „Zospockine ueitelM", sondern stets mit ,Aospc»din uöitelj" ansprechen. —
Das Substantiv .Mspockm" wird vor einem andern Namen regelmäßig und von Ange-
hörigen aller Consessionen als indeclinables Attribut gebraucht; man sagt zum Beispiel
allgemein »^ospoclin 6irektora, Aospvdiii öupniku, s Aospockin 6irilc»m« u. s. w. Das
Gleiche gilt umgekehrt von den türkischen Eigen- und Ehrennamen mit nachfolgendem
.ekenäha, dkA*; es werden beispielsweise «Nekmeck, IZilÄja, ^lija, Hack/Ha", wenn
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Volume 22
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bosnien und Herzegowina
- Volume
- 22
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1901
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.34 x 22.94 cm
- Pages
- 536
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch