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verfertigt. Die Häute der geschlachteten Thiere werden zu Leder verarbeitet, der Tragsattel
(sainur) für die Pferde und Maulthiere aus zugerichteten Holzspreitzen hergestellt; der
Pflug wurde bis vor kurzem noch aus einem starken Baumstamm, der Wagen (oraba) ohne
irgend welche Verwendung eiserner Bestandtheile (auch nur eines eisernen Nagels) ganz
ans Holz gebaut, welches der benachbarte Wald lieferte. Auch die meisten Werkzeuge
uud Hausgeräthe wurdeu von ihnen erzeugt; so die Handspindel (vretsnc»), die Web-
stühle (stan), die Weberblättchen (dräo), hölzernes Geschirr, Matten aus Schilf oder
Stroh, Teppiche aus Ziegen- oder Schafwolle, Tschibnks u. s. w. Auf selbstverfertigteu
Handmühlen wurde der Tagesbedarf au Mehl gemahlen. Ja, sogar die Mühlsteine
brachen sich die Familienmitglieder selbst. Das Brod wurde im eigenen Backofen
gebacken. Viehställe, Scheunen und Wohnhaus primitiver Art erbauten sich auch die
Familienmitglieder selbst: im waldreichen Bosnien aus Flechtwerk mit Lehm (Seper)
oder Luftziegel (ösrpie), in der Hercegovina aus Stein. Die Fensteröffnungen wurden
früher, da Glas nur in den Städten bekannt war, mit Holzgittern, Papier oder Leder
verschlossen, das Dach mit Maisblättern oder Stroh gedeckt.
Die Arbeit wird vom Familienältesten (stui-Mina) nach Geschlecht, Alter und
Fähigkeit den Einzelnen zugetheilt. Da die Hausgenossen nur für den Gebrauch in der
Familie arbeiten, sucht jeder von ihnen nicht nur sein Bestes zu leisten, sondern auch seinen
individuellen Kunstsinn an den Gegenständen, die seine Hand fertigt, zu entfalten. Die
Spinnrocken (presliee) mit breitem, geschweiftem Blatt, die geschnitzten Truhen ( s n n c l u l v ) ,
die Behälter für Wetzsteine (vockiri), die gestickten Handtücher (makroms) — sie und
hundert andere primitive Erzeugnisse des Hauses bringen die technische Vielseitigkeit,
sowie den künstlerischen Sinn des in der Hausgenossenschaft herangebildeten bosnischen
Bauers zum Ausdruck.
Des Tauschverkehrs bedarf die geschlossene Hauswirthschaft nur wenig. Eiserne
Werkzeuge, Salz, Tabak, Gewürze werden gegen Überschüsse der Wirthschaft, die in
Bodenfrüchten, Vieh oder gewerblichen Erzeugnissen bestehen, eingehandelt. Heute freilich
werden immer mehr und mehr Bedürfnisse durch Kauf gedeckt und die selbstständige
gewerbliche Prodnction auf einen enger werdenden Kreis von Gegenständen eingeschränkt.
Übergangssormen zu einer gewerblichen Berufsthät igkei t finden sich in den
mannigfaltigsten Arten. Hier einige Beispiele. Im Bihacer Kreis, in welchem infolge der
dort unter den Mohammedanern herrschenden Vielweiberei die Familien rasch anwachsen,
beschäftigen sich die weiblichen Familienmitglieder mit Teppich-Weben (insbesondere von
langen Laufteppichen, pvnMve), Stickereien auf Bez, Stricken von Wollstrümpfen n. f. w.
Alle diese Gegenstände des häuslichen Gewerbefleißes werden auf den Märkten verkauft
oder an Unterhändler abgegeben. Eine andere Gattung Gewerbetreibender sind die anf
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Bosnien und Herzegowina, Volume 22
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Bosnien und Herzegowina
- Volume
- 22
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1901
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.34 x 22.94 cm
- Pages
- 536
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch