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In Siebenbürgen hatte die mittelalterliche, insbesondere gothische Baukunst, als sie
nach langem Hinsiechen endlich zu Anfang des XVI. Jahrhunderts erlosch, ihre Aufgabe
vollkommen gelöst. Hatte sie auch im Laufe von nahezu drei Jahrhunderten niemals von
künstlerischer Energie gestrotzt, so war es ihr doch gelungen, in der Gesammtheit ihrer
zahlreichen, den localen Verhältnissen angepaßten und diese charakteristisch wiederspiegeln-
den Werke dem Lande einen architektonischen Charakter zu verleihen, an dem die folgenden
Jahrhunderte nichts Wesentliches mehr zu bessern und zu ändern fanden und den
sie vollends nicht durch etwas Neues verdunkeln konnten. Selbst das neue religiöse
und politische Leben vermochte dies nicht. Die Hunderte von Kirchen genügten dem
religiösen Bedürfniß vollauf. Die Reformation begnügte sich damit, die schon vorhandenen
im Inneren umzugestalten, indem sie deren ursprüngliche Einrichtung entfernte. Das andere
große Ereigniß nach der Mohäcser Schlacht, die Lostrennung vom Mutterlaude, gelangte
in keinerlei architektonischen Schöpfungen zum Ausdrucke. Das XVI. Jahrhundert war auf
dem Gebiete der kirchlichen und weltlichen Baukunst völlig unfruchtbar. Die auf der
Schwelle harrende Renaissance konnte in Ermangelung von Aufgaben, wenn auch nur
niittleren Schlages, hier keinen feierlichen Einzug halten, sondern kam nur verspätet und
wie zufällig ins Land hereingestolpert, wo sie auch nicht Wurzel schlug.
Auf kirchlichem Gebiet gelangt die neue Kunst im Laufe des XVI. Jahrhunderts
zuerst an drei kleineren annexartigen Gebilden zur Geltung. Ihre Entstehungszeit ist genan
bekannt. Im Jahre 1512 ließ Domherr Johann Läzö vor dem Nordportal der Kathedrale
zu Karlsburg eine geschlossene Vorhalle erbauen. (Siehe das Bild in „Ungarn", Band I.
Seite 129). Es ist ein quadratischer Bau auf hohem Sockel. Die Fa^ade, besonders die
Eckpfeiler und das Portal verrathen durch ihre Bildung und den verhältnißmäßig reichen
plastischen Schmuck einen lombardischen Meister. Der Rahmen des Thores, das aus der
Vorhalle in die Kirche führt, ist mit schönen, nach rechts und links geschwungenen
Spiralen geschmückt. Der Zeitfolge nach kommt dann die Thür, die in der St. Michaels-
kirche zu Klausenburg aus dem Chor in die Sakristei führt. Das architektonische Gefühl
des Meisters war mangelhaft, desto größer aber seine plastische Schaffenskraft. So hat
er die pfeilerförmigen Thürpfosten, den auf ihnen ruhenden Sturz und den diesen
überragenden, keinen vollen Halbkreis bildenden Giebel beinahe bedeckt mit Reliefs,
die aus dem lockeren Sandstein fast rund herausgearbeitet sind; mit Arabesken, zwischen
denen Figuren die Sinnbilder der Erde und Sonne halten, Flügelkinder mit Blumen-
gewinden spielen und Vögel erscheinen. Aus dem Bogenfelde schaut der Kopf des Meisters
heraus; bartlos, mit reichem Lockenhaar und flachem Barett; er scheint sich der Gebilde
seiner regen Phantasie zu freuen. Seine Hände stützen sich ans das Gesimse und halten ein
Band, auf dem sein Name: LI^V- (Klausenburg?) zu lesen steht. Unter
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (7), Volume 23
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (7)
- Volume
- 23
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1902
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.13 x 23.25 cm
- Pages
- 622
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch