Page - 102 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (7), Volume 23
Image of the Page - 102 -
Text of the Page - 102 -
102
Norden mit den mächtigen Felsenmauern zusammenhängt, mit denen die Kette der
Karpathen Ungarn im Nordwesten, Norden und Nordosten umwallt.
Dieser großartigen natürlichen Rundbastei, von der überaus geeignete Abstiege,
die siebenbürgischen Pässe, in die jenseits ihrer Mauern ausgedehnten Ebenen hinab-
führten, fiel schon von Natur die Aufgabe zu, die durch sie vertheidigte Festung, den
ungarischen Staat gegen die Überflutung durch die nach deu Stürmen der Völker-
wanderung übriggebliebenen Völkerreste zu schützen, die zwar nicht mehr mächtig genug
waren, Europa zn überschwemmen, wie die früheren Völkerwogen gethan, aber stark genng,
um den ungarischen Staat zu gefährden, oder doch dessen Consolidirung aufzuhalten, ja
noch über diesen Staatskörper hinweg der christlich-germanischen Cultur des Westens in
ihrem Erstarken Hindernisse zu bereiten.
Die strategische Wichtigkeit Siebenbürgens scheinen schon die durch die Petschenegen
aus ihrer Heimat im Etelköz verdrängten Magyaren geahnt zu haben. Dafür spricht die
Raschheit, mit der ein Stamm der Magyaren bei der Landnahme die Thäler des Szamos
und Maros besetzte. Auf die dieses Gebiet umziehende gewaltige Bergkette gestützt, fühlten
sich die Fürsten dieses Stammes stark genug, um den Herrschern aus Ärpäds Hause die
Stirne zu bieten, also zugleich der Idee selbst, deren Fahnenträgerin die herrschende
Familie in ihrem Bestreben war, das Magyarenthnm zu einer einheitlichen Nation
zusammenzuschließen. Dann war es das Organisationstalent Stefans des Heiligen, das
den strategischen Werth des siebenbürgischen Landes mit voller Klarheit erkannte. Und
als der große König die Macht Gyulas, Wojwodeu von Siebenbürgen, gebrochen hatte
und den Stamm „jenseits des Waldes" mit der Gesammtheit der Magyaren vereinigte,
da zog er das gewonnene Gebiet (dessen südliche Grenze anfangs der Maros war) durch
Begründung des Bisthums zu Gyula-Fehervär (Karlsburg) iu den Jnteresfenkreis der
christlichen Cultur, während er es in militärischer und administrativer Hinsicht vorderhand
den Obergespäueu der ostungarischen Comitate unterstellte und dadurch mittelst starker
Bande dem Staatskörper anschloß.
Mit diesem Zeitpunkte beginnt für Siebenbürgen in der Geschichte Ungarns die
Rolle der Schutzbastion, welche auch die folgerichtige Politik der ärpädischen Nachfolger
Stefans des Heiligen niemals aus den Augen verlor. Denn es ist nicht Laune des Zufalls,
sondern zielbewußte Politik, was sich in den Besiedlungen ausspricht, deren Zeit die
historische Forschung in das letzte Viertel des XI. Jahrhunderts verlegt, wo neuere
Schwärme nicht nur die östlichen, sondern auch andere Gegenden des eigentlichen Ungarn
verlassen, um ostwärts und das Szamosthal hinan ziehend, hinter dem Rücken der bereits
im mittleren Siebenbürgen spärlich lebenden Magyaren die Hochthäler der östlichen und
südöstlichen Grenzgebirge zu besetzen und so eine ständige und tapfere Besatzung dieser
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (7), Volume 23
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (7)
- Volume
- 23
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1902
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.13 x 23.25 cm
- Pages
- 622
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch