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natürlichen Festung zu werden. Ob nun diese neueren Schwärme Nachkommen der
magyarisirten Kabaren oder ein Originalschößling des magyarischen Stammes waren,
ihre Seßhastmachuiig am Fuße der südöstlichen Grenzbasteien des Landes ist ein beredtes
Zeugniß des strategischen Scharfblickes unserer Könige, der in ihnen die wachsamen und
verläßlichen Grenzwächter fand, um diesen Landestheil gegen die Einfälle der benach-
barten Petschenegen und Kumanen zu sichern. Dieser Scharfblick wäre übrigens nicht
geringer, wenn etwa die Überlieferung Recht hätte, daß sie es verstanden haben, das
dort vorgefundene Szeklervolk heranzuziehen und so zu orgauisireu, daß es diesem wichtigen
Zwecke dienen konnte.
Allein diese Kette von Besatzungen, die den erwähnten gefährlichen Elementen die
Wege der Verheerung wehren sollte, riß an der Südgrenze Siebenbürgens ab. Magyaren
und Szekler genügten bei ihrer geringen Zahl nicht, um auch die südlichsten Ausgänge der
ungeheueren Rundbastei (den Törzburger-, Rotheuthurm- und andere Pässe) hüten zu
können. An diesem Theile konnte der Feind frei einbrechen und fand an der damaligen
Südgrenze, dem Marosfluß, kein nenueuswerthes Hinderniß. Diese Lücke versuchte
Geza II., der treffliche Nachfolger Stefans des Heiligen, auszufüllen, indem er zwischen
Maros und Alt ein fleißiges, zäh ausdauerndes Völkchen aus Flandern und vom
Niederrhein, die unter dem Namen „Sachsen" bekannten Deutschen ansiedelte. Vollendet
aber wurde das große Werk, die Wehrhaftmachung der ungeheueren Bastion, durch
Andreas II., als er aus dem Burzeulaude den von ihm dorthin eingeladenen, aber dann
unbotmäßigen Deutschen Ritterorden vertrieb und anch dieses Land den mittlerweile
auch hieher vorgedrungenen Sachsen schenkte.
Bei der Wichtigkeit der Aufgabe, die diese nach allen Seiten von starken Besatzungen
vertheidigte Eckbastion im Interesse des ungarischen Staates und der Civilisation
überhaupt zu erfüllen hatte, erscheint es nur natürlich, daß Siebenbürgen im Rahmen
des ungarischen Staates — wie ja auch beispielsweise die Markgrafschaften im römisch-
deutschen Reiche des Mittelalters — auf militärischem, administrativem und legislativem
Gebiete eine gewisse privilegirte Stellung genoß. Allein der Wojwode, der an der Spitze
des ganzen Landes stand und dessen vornehmer Rang in der Reihe der Bannerherren (er
kam gleich nach dein Banns) die Wichtigkeit des ihm unterstehenden Gebietes innerhalb des
ungarischen Staatswesens getreu widerspiegelt, seruer der Gespan der Szekler und der Comes
der Sachsen: diese drei gesonderten, jedoch in der Idee des ungarischen Staates vereinigten
Ämter fügten sich harmonisch in den ungarischen Staatsorganismns ein. Die wohlbewachte
Bastion war bereits mehr als eine Schutzwehr gegen die Nachfolger der Petschenegen,
die Kumanen und später die Tatarenhorden; sie bildete auch einen gnten Grundstock,
um ihrem Herrn die aggressive Vertheidigung, ja den Angriff selbst zu ermögliche«.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (7), Volume 23
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (7)
- Volume
- 23
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1902
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.13 x 23.25 cm
- Pages
- 622
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch