Page - 104 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (7), Volume 23
Image of the Page - 104 -
Text of the Page - 104 -
104
So sehen wir im Laufe der Geschichte, daß die ungarischeKönigsmacht durch die Sieben-
bürger Greuzpässe auf die der Rundbastei zu Füßen gelagerte Ebene hinausgreift und erst
Knmanien (dessen Titel der König von Ungarn noch heute führt), nach dem großen Tataren-
sturm aber auch die beiden ans dem Gebiete Kumauiens entstehenden walachischen Länder:
Moldau und Walachei, in den Macht- und Jnteressenkreis des ungarischen Staates einbezieht.
Die Geschichte der Befestigungskunst kennt keine Bastion, die auch nach den strengsten
Anforderungen ihrer Aufgabe besser entsprochen hätte, als Siebenbürgen. Es vertheidigte
das Land, die Festung, gegen die stürmenden Stammesgenossen: die Petschenegen,
Kumaueu und Tataren; es bot der Festungsbesatzung einen starken, vollkommen verläßlichen
Stützpunkt, um das vorliegende Glacis von Belagerern zn reinigen und an der Verthei-
digung der Festung theilnehmen zu lassen. Und während nach außen diese Kriegsarbeit
gethan wurde, deckte es nach innen den Rücken des friedlich arbeitenden Volkes, dessen
ununterbrochene Culturarbeit in Siebenbürgen während des XIV. und XV. Jahrhunderts
dem Handel und Gewerbe blühende Mittelpunkte schuf und überhaupt Siebenbürgen zu
einer Perle der heiligen ungarischen Krone machte.
Leider wurde diese Perle im XV. Jahrhundert gerade dort von Gefahr bedroht, wo
sie ihrer natürlichen Verbindung nach ihre Stütze zu suchen hatte. Die südöstliche Bastion
des Reiches mündete in das Mutterland selbst durch die Thäler des Szamos, Körös und
Maros, sowie die Enge des Eisernen Thores. Diese Wege vermittelten den Verkehr mit
dem Mutterlande. Als dann die Osmanen auf der Balkanhalbinsel festen Fuß gefaßt
hatten und in ihrem Ausdehuungsdrange der unteren Donau entlang, die in den Wirren
des XV. Jahrhunderts oft schlecht gehütet war, wiederholt in Ungarn einfielen, da war es
ihren fliegenden Colonnen ein Leichtes, mittelst des Eisernen Thores und Marosthales
vou hinten her in das Schatzhaus Siebenbürgen einzubrechen und dessen srnchtbarste,
reichste Theile mehrmals auszuplündern und zu verheeren.
Diese Verheerungen, das in ihrem Gefolge auftretende Elend, und der dem Elend
folgende Bauernaufstand brachten jene merkwürdige „Union" zustande, die im Jahre 1437
von dem magyarischen Adel Siebenbürgens, den Szeklern und den Sachsen, zum gegen-
seitigen Schutze, sowie zur Vertheidigung des von der Regierung in all den Staatswirren
vernachlässigten Landes geschlossen wurde. Durch diesen Bund, deu die Contrahenten nach
zwei Jahrzehnten (1459) erneuerten, nahmen die drei politischen Nat ionen Sieben-
bürgens feste Form au, die sogenannten ,kürc>m natio«, das heißt jene drei, zur Aus-
übung der gesummten politischen Rechte berufenen, miteinander im gleichen Range stehenden
Curie«, deren zwei den Magyaren (ungarischem Adel und freien Szeklern), die dritte aber
den Sachsen angehörte. Freilich gewann mit diesen drei Curien — bis zu einem gewissen
Grade — auch der Gedanke der Trennung vom Mutterlande eine feste Form.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (7), Volume 23
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (7)
- Volume
- 23
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1902
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.13 x 23.25 cm
- Pages
- 622
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch