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Landspareassen und Einzelwucherern stark ausgebeutet. Wenn er spart, hängt er die
Ersparnisse iu Form von Silber- oder Goldstücken seiner Frau oder Tochter an eine
Schnur gereiht um den Hals. Der Einfluß der Volksschule auf die Hebung der Obstzucht
ist mehr auf dem Papier als in Wirklichkeit zu verspüren. In neuerer Zeit erwiesen sich
die Bauern bei Veredlung der amerikanischen Rebe anstellig.
Bei dieser Charakteristik des eroatischeu Bauern ist je nach der Gegend manche
Modifikation anzubringen. Der Bauer in der Podravina ist fleißiger und betreibt die
Pferdezucht mit Erfolg. Der Zagoriauer Bauer treibt Wiesencultur, der Küstenländer ist
eigentlich gar kein rechter Bauer.
Ueberall hält der croatische Bauer viel auf Anstand; der in Slavonien ist besonders
gemessen und vornehm in seinen Bewegungen, der Zagorianer dagegen ungelenker.
Seiner Ehefrau und den Kindern bezeigt er keine besondere Zärtlichkeit. Sein väterlicher
Stolz erwacht erst, wenn der Sohn erwachsen ist; das Mädchen, und wenn es noch so
schön, betrachtet er nur wie ein überflüssiges Schaustück im Hause. Bei einer Landtagswahl
wollte sich der Candidat in einem Bauernhause beliebt machen; als das Kind in der
Wiege schrie und man es schreien ließ, trat er hinzu und wiegte den Schreihals. Da ging
der Hausvater mit einer unnachahmlichen Miene der Würde und Verachtung aus dem
Zimmer und stimmte gegen den Candidaten. Die Kinder dürfen ihre Eltern nicht
duzen. In der Posavina, im Poknpje (Kulpathal), in Prigorje und Zagorje spricht
die Frau ihren Mann, wenn er älter ist, ebenfalls mit „Sie" an; an manchen Orten
dürfen nicht einmal die jüngeren Geschwister den älteren gegenüber das „Du" gebrauchen.
In der Hauscommunion ist der Hausvater selbstverständlich für Alle eine Respectsperson.
Diese würdevolle, man möchte sagen, stilvolle Haltung bewahrt der croatische Bauer in
allen Lebenslagen, und sie ist sein gemeinsames Merkmal durch alle Gegenden und unter
allen Costümverfchiedenheiten, so daß sie zu den charakteristischen Eigenheiten des Volkes
gehört. Wie sehr diese Eigenschaft bei den alten Griechen sich in künstlerischer Umformung
bis zur Höhe classischer Schönheit entwickelte, ist männiglich bekannt; daß sie es auch in
unserem Volke zu künstlerischer Ausprägung gebracht hat, zeigen die Erzeugnisse unseres
Hausfleißes, die übrigens gleich den äußeren Gewohnheiten des Volkes auf unsere alten
Verbindungen mit der durch Byzauz vermittelten classischen Cultur hinweisen.
Am deutlichsten zeigt sich dieser classische Charakter in den Trauerkundgebungen
des Volkes, in den Gegenden, wo es den alten Gewohnheiten treu blieb.
Bei einem Trauerfall legen die Frauen zunächst Trauer an, indem sie die bunt
gestickten Gewänder ablegen, sich in Weiß und Blau kleiden und umgürten. Dann betten sie
den Todten im gemeinsamen großen Gemach zwischen den zwei Fenstern, wo sonst der Speise-
tisch steht; rechts nnd links bleiben die Bänke stehen. Nun kommen die gemietheten oder
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Kroatien und Slawonien, Volume 24
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Kroatien und Slawonien
- Volume
- 24
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1902
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.19 x 22.65 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch