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gebetenen Klageweiber, setzen sich zu beiden Seiten des Todten und stiinnien alterthümliche
Klagegesänge an, in denen sie die vortrefflichen Eigenschaften desselben besingen. Diese
Gesänge sind so typisch, daß sie auch an der Leiche eines Säuglings gesungen werden.
Die Weisen sind alterthümlich, und Musikhistoriker, wie der hochverdiente Kuhac, erkennen
in ihnen altgriechische Tonarten. Wird der Todte zu Grabe getragen, so kommt es vor,
daß sich die Klageweiber im Wagen auf den Sarg setzen, obwohl sonst dieser Ehrenplatz
dem nächsten Verwandten zukommt.
Wenn man im Herbst, wo die Recrntirnng stattfindet, durch jene Gegenden
Slavoniens reist, die eine gemischte Bevölkerung haben, so kann man auf den Bahnhöfen
eine recht deutliche Übersicht der Art und Weise bekommen, in der die verschiedenen
Nationalitäten ihre Abschiedsschmerzen aussprechen. Die croatische Bäuerin steht thränenlos,
wie eine griechische Statue da und sieht ihrem Sohne, der in die Fremde zieht, mit einem
Ausdrucke nach, der Winkelmann und Goethe entzückt hätte; die junge Strohwitwe mit
einem Ausdrucke, dessen classische Ruhe moderner anmnthet, denn sie ist nun drei Jahre
„Soldatenfrau", also frei. Die Ungarin umarmt ihren scheidenden Mann stürmisch,
zerrauft sich die Haare, wirst sich auf die Erde, und die Mutter des Scheidenden
schluchzt zum Herzerbarmen. Den deutschen Soldaten begleitet die Dorfmnsik, welche sehr
secessionistisch mnsicirt, die Reernten lärmen, tanzen wie die jungen Bären, und
die Mütter wischen sich ebenso wie die Weiber mit dem Zipfel der Schürze die spärlichen
Thränen ab.
Ebenso wie in den Ausdrucksformen ihres Schmerzes, unterscheiden sich die Land-
leute in ihren Frendenausbrüchen. Kommt es znm Tanz, so bewegen sich die Eroaten und
Serben in streng rhythmischem Reigen; was dabei gesungen wird, kam im alten Griechenland
nur im Zwischenact der Tragödien vor; die Ungarn tanzen ihren ausdrucksvollen Csardas
nur vom Jauchzen und Aufschlagen der Fersen begleitet, bei der dünnen Musik von
Streichinstrumenten; die Deutschen tanzen in geschlossenen Räumen bei einer fürchterlichen
Blechmusik im Schweiße ihres Angesichtes, als gälte es eine schwere Arbeit zn verrichten;
es ist ihnen erst wohl, wenn sie ebenso müde sind, wie auf der Dreschtenne.
Wenn wir aber die drei Volksstämme, ebenso wie in ihrer Trauer und Freude, bei
der Arbeit vergleichen, so müssen wir dem Deutschen den Vorrang zugestehen. Er ist dem
Ungarn und Eroaten wirthschaftlich überlegen.
Der Ungar in unserem Lande assimilirt sich dem Eroaten leichter, als dem Deutschen,
er erlernt rasch croatisch nnd spricht es geläufig ohne Accent, während der Deutsche, wenn
er es überhaupt erlernt, nie aufhört, schlecht croatisch zu sprechen. Geschlossene deutsche
Dörfer, die seit hundert Jahren in Kroatien und Slavonien bestehen, sind noch heute so
schwäbisch, wie in Ungarn, während die Ungarn sich im Verkehre rasch croatisiren. Das
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Kroatien und Slawonien, Volume 24
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Kroatien und Slawonien
- Volume
- 24
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1902
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.19 x 22.65 cm
- Pages
- 630
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch