Page - 92 - in Kronprinz Rudolf - Politische Briefe an einen Freund 1882-1889
Image of the Page - 92 -
Text of the Page - 92 -
meist in Wien, wo ihm ein Frauenzimmer und ein russi-
scher Polizeibeamter Dienste leisten.
Von Wien macht Woronowitsch häufige Ausflüge nach
der Schweiz und Frankreich, nimmt von den dortigen
russischen Spionen Rapporte entgegen und überbringt die-
selben an russische Behörden, da die russischen Spione
sich nur selten der Post bedienen.
Der Spion Maltschinski studierte an der Univer-
sität in Heidelberg, lebte dann als russischer Hauslehrer
in Italien, machte in Neapel Bekanntschaft mit B a k u n i n,
veruntreute mehrere seiner Privatbriefe, gelangte dafür
als Beamter in die dritte Abteilung der geheimen Kanzlei
des Kaisers in Petersburg, wurde aus diesem Amte ver-
trieben, gab dann für russische ärarische Gelder in Genf
das Blatt „Wolnoja Slowo" heraus, steckte eine große
Summe dieses Geldes ein und lebt jetzt als Spion in Mon-
treux (in der Schweiz).
Der Fürst K. mußte aus Rußland wegen Ermordung
seines Verwalters flüchten, und da er im Auslande keine
Mittel zum Leben hatte, wurde er russischer Spion. Sein
Standesgenosse Fürst L.-B. ist reich, konnte aber in Ruß-
land kein Amt erhalten, und um zu diesem zu gelangen,
will er sich bei der Regierung durch Spionage verdient
machen. Der Spion Hein ist ein gebürtiger Jude, hatte
in Pisa (Italien) ein Geschäft, erlitt aber bei demselben
Verluste, reiste dann nach Petersburg, stellte sich der
russischen Regierung als sehr geschickten französischen
Geheimpolizisten vor, schwindelte von derselben 400.000
Francs zu Spionagezwecken heraus, ging nach London,
etablierte sich dort als Geschäftsmann, kaufte sich dort-
selbst auch ein Haus und lebt heute noch von den russi-
schen Geldern. Der russischen Regierung hat er aber nicht
den geringstenDienst geleistet, und als sich letztere infolge-
dessen einmal weigerte, ihm weiterhin Subventionen zu-
kommen zu lassen, drohte er mit der Aufdeckung des
ganzen Geheimnisses. Die russische Regierung gab infoige
dieser Drohung Hein nach und wieder viel Geld.
Horrend viel Geld kostet der russischen Regierung die
Erhaltung auch aller übrigen russischen Spione im Aus-
lande, ohne daß selbe bisher irgendwelche wesentliche
92
Kronprinz Rudolf
Politische Briefe an einen Freund 1882-1889
- Title
- Kronprinz Rudolf
- Subtitle
- Politische Briefe an einen Freund 1882-1889
- Author
- Julius Szeps
- Publisher
- Rikola Verlag
- Location
- Wien - München - Leipzig
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.6 x 19.54 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Habsburger, Österreich-Ungarn, Monarchie
- Categories
- Geschichte Vor 1918