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NOBLE FENSTEREINWERFER
18. März 1883
AUS Prag wird uns geschrieben: Es muß eine besonders
anmutende Musik in dem Klirren zerbrechender Fen-
sterscheiben liegen, denn vor einigen Tagen beschlossen
einige junge Herren, sich dieses Vergnügen zu ver-
schaffen. Aber in exklusivster Weise, da sie der exklu-
sivsten Gesellschaft angehören, nicht also etwa in der
Gesellschaft schmutzigen und wilden Pöbels, sondern
ganz unter sich, wie es sich eben schickt. An einem der
letzten Abende also zog eine kleine, aber gewählte Ge-
sellschaft von jungen Leuten in die Josefstadt, das heißt
in das alte Judenghetto, und wählte die Fenster eines der
Häuser als Objekte für gutgezielte Steinwürfe. Leider
aber mischte sich bald die Polizei in die sonst harmlose
Unterhaltung und mit Ausnahme eines einzigen der stein-
schleudernden Gesellschaft, eines jungen Grafen Sylva-
T a r o u c a, dem es gelang, der Arretierung zu entkom-
men, wurden die andern Mitglieder, an ihrer Spitze der
junge Graf Clam-Martinitz, verhaftet und in den
Polizeiarrest gebracht, wo sie die Nacht zubringen
mußten. Die jungen Herren wurden am folgenden Morgen
mit einer gebührenden Ermahnung in ihre betreffenden
Paläste entlassen. Fensterscheiben haben, wie man sieht,
manchmal auch einen unangenehmen Klang, wenn sie
auch mit noblen Steinen eingeschmissen werden.
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Kronprinz Rudolf
Politische Briefe an einen Freund 1882-1889
- Title
- Kronprinz Rudolf
- Subtitle
- Politische Briefe an einen Freund 1882-1889
- Author
- Julius Szeps
- Publisher
- Rikola Verlag
- Location
- Wien - München - Leipzig
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.6 x 19.54 cm
- Pages
- 246
- Keywords
- Habsburger, Österreich-Ungarn, Monarchie
- Categories
- Geschichte Vor 1918