Page - 107 - in Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres - Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Volume 1

Am 24. August. 107 Nicht Geburtsort und Abstammung, sondern nur Gottesfurcht, Tugend und Geschicklichkeit machen jeden Menschen achtungswürdig. Das Veilchen ist die lieblichste Blume, und wachst ganz unbemerkt im dunklen Schatten eines Gesträuches, und manche — in herrlichen Gärten mit Mühe und Kunst erzogene Pflanze ist giftig. Als Jesus den Nathanael herzukommen sah, sagte er: „Sehet, dieser ist einmal ein wahrer Israelite, in dem kein Falsch ist!" Na: thanael verwunderte sich über diese Rede. Der bescheidene Mann glaubte, dieses Lob nicht zu verdienen. Vielleicht kam es ihm gar vor, Jesus wolle ihn durch Lob für sich einnehmen. Und dann, was ihn am meisten befremden mußte, hatte ihn Jesus ja noch nie gesehen. Er sagte daher gleich wieder, was er dachte: „Woher kennst du mich denn?" Mit einem Blicke, der dem Nathanael in das Innerste des Herzens dringen mußte, sprach Jesus: „Ehe dich Philippus gerufen hat, da du noch unter dem Feigenbaume wärest, habe ich dich schon gesehen." Nathanael erstaunte. Nun wurde es auf einmal helle in seiner Seele. Er sah, daß Der, vor dem er stand, allwissend sey. Innigst gerührt und voll heiliger Ehrfurcht rief er aus: „O Lehrer! Du bist der Sohn Gottes! Du bist der König Israels!" Hierauf sprach Jesus: „Weil ich dir sagte, daß ich dich unter dem Feigenbäume gesehen habe, glaubst du schon. Du wirst noch größere Dinge sehen, als diese." Und nun wandte er sich auch zu den übrigen Jüngern und sagte: „Ich versichere euch, ihr werdet den Himmel offen, und die Engel auf- und niederstcigen sehen über dem Menschensohne." Ihr werdet mich bald so große und wichtige Dinge verrichten sehen, daß es euch scheinen wird, der Himmel sey geöffnet, und die Engel als Bothen Gottes steigen, um mir nach Verlangen zu dienen, zu mir herab, und wieder hinauf. Was Jesus hier sagt, ward bei der Geburt, nach der Versuchung, in der Wüste, am Oelberge, und bei der Auferstehung buchstäblich erfüllt. Nathanael folgte nun Jesu nach, und blieb sein treuer Iün- ger. — Nur wer Wahrheit liebt, kann ein Jünger Jesu werden. Im zweiten Jahre des öffentlichen Lebens Jesu wurde Bartho- lomäus — so wollen wir nun den Nathanael nennen— in die Zahl der Apostel aufgenommen. Er kam nicht mehr von der Seite seines göttlichen Lehrers, und hörte und sah jetzt die größeren Dinge, von denen Jesus gesagt hatte. Er hörte die beseligenden Lehren vom Reiche Gottes, lauter Worte der Lehre und Weisheit. Welche Freude und Seligkeit für einen Mann, der ohne allen Betrug und Falsch- heit so eifrig nur die Wahrheit suchte! Er sah die vielen Wunder- werke, die Jesus wirkte, lauter Werke der göttlichen Allmacht und Liebe. Welche Befestigung des Glaubens in einem Herzen, welches Gott und da5 Göttliche, und alle Menschen so innig liebte!