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030 Die Heiligen: Paulus und Antonius, Einsiedler.
Da gab ihm Gott im Traume zu erkennen, daß dennoch Einer am
Leben sey, welcher seit längerer Zeit schon sich vollkommen ihm ge-
widmet habe, und hieß ihn, diesen in der Wüste zu besuchen. Fest
überzeugt, daß Gott ihn führen werde an unfiänbarcr Hand, machte
er sich auf den Weg. Zu zwei verschiedenen Malen erschienen ihm
böse Geister in verschiedener Gestalt. Mit dem Zeichen des heiligen
Kreuzes vertrieb er sie. Schon zwei Tage war er gegangen. Er
sah keine Fußstapfen, als von wilden Thieren. Die Nacht brach
ein, er brachte sie zu im Gebethe. Des Morgens, als es tagte,
ward er eine Wölfin gewahr, welche keuchend vor Durst an einem
Bergrücken dahin lief. Er sah ihr nach, bis er sie aus den Augen
verlor, nahm dann dieselbe Richtung, und kam an eine Höhle.
Ihre Dunkelheit schreckte ihn nicht ab; mit den Händen tappend,
ging er hinein, ward da den Schimmer eines Lichtes gewahr, und
zweifelte nicht, daß Gott ihn an die Wohnung des heiligen Mannes
geführt habe.
In dieser Höhle lebte noch Paulus, der heilige Greis; hier
priesen noch seine schwachen Athemzüge den Herrn im hundert und
dreizehnten Jahre seines zum Ende gehenden, gottgeweihtcn, zeit,
lichen Lebens. Erfreut über das gesehene Licht ging Antonius nun
schneller, und stieß an Steine, welche übcreinandcrfallend, rasselten.
Ungewohnt eines Geräusches, verriegelte Paulus von innen die Thüre
seiner Fclsenzclle. Antonius hörte es. Er warf sich auf die Erde
vor die Thüre, flehte inständigst, ihm zu öffnen, und sagte, er
würde nicht aufstehen, bis er ihm aufmache; „sterbe ich dann, so
wirst du mir doch das Begräbniß nicht versagen." Paulus, dem
Gott geoffenbart hatte, wer der Suchende sey, antwortete aus der
Zelle: »Man bittet nicht mit Drohungen! Wie soll ich dir aufthun,
da du sagest, du seyest gekommen, um hier zu sterben?" Sogleich
öffnete er die Thüre, lächelte freundlich ihn an, bcidc fielen einan-
der in die Arme, nannten, von Gott belehrt, sich mit Namen, und
erglühten gegen einander mit der Lieb" der Heiligen. Sie vereinig:
ten sich zum gemcinschaftli^cn Gebethe. Dann setzten sie sich bcide,
und Paulus sagte: „Da siehst du einen Menschen, der am Ende
seiner Laufbahn in weißen Haaren bald zu Staube werden soll/'
Darauf fragte er den Antonius nach dem Zustande der Welt, von
der er seit neunzig Jahren nichts vernommen hatte; wer nun Kai-
ser wäre? Ob die Menschen jetzt noch so verblendet wären, daß sie
Teufel anbethcten? Indem Antonius diese Fragen beantwortete,
kam ein Rabe, und legte ein Brod zu ihren Füßen. Man stellt
sich leicht die Verwunderung des Antonius vor, und die Ehrfurcht,
welche ihn gegen den Mann erfüllen mußte, den der Herr, „dcffen
Hand nicht verkürzt ist," auf so wunderbare Weise, wie ehemals
Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Volume 1
- Title
- Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
- Subtitle
- Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes
- Volume
- 1
- Author
- Anton Mätzler
- Publisher
- Landshut Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 1840
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 9.8 x 16.9 cm
- Pages
- 900
- Keywords
- Kirche, Gott, Glaube, Religion
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen