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70 Der heilige Johannes Cliiualuö, Abt.
ersten Augenblicke des Entstehens. Solchem Kampfe war er viel-
fältig ausgesetzt, oft sehr schwer und gefahrvoll. Im Aufblicke zu
Gott, im Gebethe und in der Betrachtung des Ewigen fand er
Kraft zum Kampfe, aus dem er unter Gottes Gnade immer siegreich
hervorging.
Johannes nahm einen gewissen Moses, auf dessen anhaltendes
Bitten, und auf die Fürsprache der Brüder, zu seinem Schüler an,
um ihn zu leiten auf dem Wege des Heils. Sein lebendiger Glaube,
seine unwandelbare Zuversicht, seine brünstige Liebe, der Eifer im
Gebethe und in den körperlichen Abtödtungen theilten sich bald dem
Jünger mit. Der Ruf seiner Gottseligkeit verbreitete sich weit um-
her. Von verschiedenen Orten kamen Menschen zu seiner einsamen
Zelle, von ihm Belehrung, Trost, Anleitung zur Vollkommenheit zu
erhalten, und seiner Fürbitte bei Gott sich zu empfehlen. Dadurch
ward der Neid einiger Brüder erregt, indem sie ihn einen Schwätzer
und Possenreißer nannten. Diesen Anstoß unter den Brüdern zu be-
seitigen, beobachtete er ein gänzliches Stillschweigen durch ein volles
Jahr, bis endlich die Lästerer in sich gingen, und selbst zu ihm ka-
men, ihn zu bitten, daß er wieder, wie zuvor, Worte des Heils
spenden möchte. Endlich wurde er von den Brüdern einstimmig zum
Abte des Klosters auf Sinai erwählt. Sehr ungerne unterzog er
sich dieser Würde, gab aber doch dem dringenden Flehen der Brü-
der nach. Mit schwerem Herzen verließ er seine Zelle, die er nun
schon seit vierzig Jahren bewohnt hatte. Im segcnsvollstcn Glänze
zeigte sich die Vollkommenheit des neuen Abtes, der sich die all-
gemeine Bewunderung der Mönche erwarb, und ihre vertrauens-
volle Liebe.
Johannes hatte einen Bruder, welcher Georgius hieß, und wie
er, in Uebung der Gottseligkeit und eines strengen klösterlichen Le-
bens grau geworden war. Diesem übertrug er einen Theil der Ge-
schäfte in der Verwaltung des Klosters, indem er ihn zum Mitgc-
hilfen und Nachfolger in seinem Amte bestimmte. Als er seinem
Lebensende nahe war, ward Gcorgius sehr bekümmert. Weinend
sprach er zu Johannes: ,)Du willst weggehen, und mich zurücklas-
sen? Ich habe schon oft gebethen, daß ich dir vorangehen möge,
denn ohne dich vermag ich nicht, diese heilige Genossenschaft zu re-
gieren. Nun siehe aber, ich Unglücklicher muß dich vorangehen las-
sen!" Johannes erwiederte: „Betrübe dich nicht, denn ich habe die
Zuversicht zu Gott, daß du mir, bevor noch ein Jahr verflossen ist,
folgen werdest." Bald darauf starb Johannes, und im nämlichen
Jahre noch, auch sein Bruder Georgius, im Anfange des siebenten
Jahrhunderts.
Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Volume 2
- Title
- Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
- Subtitle
- Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes
- Volume
- 2
- Author
- Anton Mätzler
- Publisher
- Landshut Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 1840
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 9.8 x 16.9 cm
- Pages
- 982
- Keywords
- Kirche, Gott, Glaube, Religion
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen