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Am 4. Oktober. 475
besonders wenn derselbe um Gotteswillen ihn darum bitten würde.
Eines Tages wies er, da er eben bei der Handlung beschäftigt war,
einen solchen ohne Almosen ab; besann sich aber schnell eines Bes-
sern, bereute seine Uebereilung, rief den Armen zurück, beschenkte ihn
reichlicher, und erneuerte seinen Vorsatz, den er in der Folge auch
nie wieder verletzte. Als er nach einer schweren Krankheit wieder
auszugehen vermochte, schenkte er einem armen, schlecht gekleideten
Edelmann sein schönes Gewand vom Leibe. In der darauf folgen:
den Nacht kam in einem Traumgesichte ihm vor, als sähe er einen
großen Palast, der mit Waffen angefüllt war, die alle mit einem
Kreuze bezeichnet waren, und als antwortete ihm auf die Frage:
„wem diese Waffen zugehörcn?" eine Stimme: „Sie sind für dich
und deine Gefährten." Franziskus glaubte in diesem Gesichte einen
Wink göttlicher Führung erkennen zu muffen, erklärte sich dasselbe
buchstäblich, und meinte deßhalb, dem Soldatenstande sich widmen
zu sollen. Dem vermeinten Rufe Gottes auf der Stelle folgend,
machte er sich auf, und trat die Reise nach Apulien an, wo er bei
einem Fürsten, der in Krieg verwickelt war, eine Anstellung hoffte.
Aus einem andern Traumgesichte entnahm er aber einen höhern
Wink, daß er nicht in den Dienst der Menschen treten, sondern dem
Dienste Gottes sich ganz weihen solle. Er kehrte daher nach Assist
zurück. Sein Sinn, der bis daher noch sehr irdisch war, ward
nun je mehr und mehr geläutert. Er zog sich von dem Geräusche
der Welt zurück, suchte die Einsamkeit, sichte oft und inbrünstig um
Erkenntniß des göttlichen Willens, und übte sich in der Eclbstvcr-
läugnung nicht ohne schwere Ueberwindung. Als er an eincm Tage
einen Ritt außer der Stadt Assist machte, begegnete ihm ein Aus-
sätziger, vor dessen Anblick sein sinnliches Gefühl in unwiderstehlichem
Eckcl zurückschauderte. Bald aber kam ihm der Gedanke, daß, wer
Christo dienen wolle, sich selbst bekämpfen und besiegen müsse. Er
sprang vom Pferde, gab dem Elenden ein Almosen, und einen Kuß
mitleidsvoller Liebe. Kaum saß e« wieder zu Pferde, als er um
denselben sich noch einmal umsehen wollte, ihn aber nicht mehr er-
blicken konnte. Erfüllt mit dem tröstenden Gefühle, welches unser
Gemüth nach jeder guten That erfreut, verfügte er sich nach Hause,
und bekräftigte in sich den Entschluß, auf dem Wege wahrer Voll-
kommenheit standhaft fortzuwandeln. Er that's, und fand dazu
cine mächtige Stütze in der Betrachtung der Leiden des Erlösers,
die ihn mit großer Wemuth, aber auch mit unaussprechlichem Troste
erfüllte.
Einmal besuchte er die etwa vierzig Schritte von der Stadt
entlegene, und wegen Alters sehr baufällige Kirche des heiligen Da-
mian, warf sich vor einem Kruzifix auf die Kniee, sah mit thränen-
Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes, Volume 2
- Title
- Legenden der Heiligen auf alle Tage des Jahres
- Subtitle
- Die Herrlichkeit der katholischen Kirche, dargestellt in den Lebensbeschriebungen der Heiligen Gottes
- Volume
- 2
- Author
- Anton Mätzler
- Publisher
- Landshut Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 1840
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 9.8 x 16.9 cm
- Pages
- 982
- Keywords
- Kirche, Gott, Glaube, Religion
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen