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Das Kommunikationsverhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden ist unidirektional (Baumgartner, Häfe-
le & Maier-Häfele, 2004). Lernende sind in behavioristisch gestalteten Lernumgebungen zwar sichtbar ak-
tiv, allerdings sind diese Aktivitäten für Lehrende nur im Hinblick auf die Lernergebnisse (den Output) von
Interesse.
Kognitivismus. Der Kognitivismus schob sich seit Beginn der 1980er Jahre lerntheoretisch in den Mit-
telpunkt der Theorie- und Forschungslandschaft. Seine Ursprünge liegen in der Technik und Mathematik
(Kybernetik, Informationstheorie, Künstlichen Intelligenz); das zentrale Modell ist das der Informations-
verarbeitung (vgl. Baumgartner & Payr, 1999). Anders als der Behaviorismus interessiert sich der Kogniti-
vismus nicht für die direkte Verbindung von Reizen und Reaktionen, sondern dafür, mit welchen Methoden
Menschen zu Problemlösungen kommen. Lernen gilt als ein mentaler Prozess, der sich analog zur Informa-
tionsverarbeitung im Computer modellieren lässt. Die Aufnahme und Verarbeitung von Information führen
zu Wissen, das im Gehirn repräsentiert ist und gespeichert wird. Lehr-Lernprozesse stellt man sich als meist
sprachlich codierte Informationsübertragung vom Sender (Lehrende) zum Empfänger (Lernende) vor. Die-
se Vorstellungen aus der Nachrichten- und Computertechnik haben vor allem die Gedächtnisforschung,
aber auch die Problemlösepsychologie stark beflügelt. Seit einigen Jahren ergänzt und modifiziert der kon-
nektionistische Ansatz mit biologischen Modellen über Gehirn und neuronale Netze die kognitivistische
Empirie und Theorie (vgl. Rey, 2009).
Kognitivistische Lerntheorien setzen in der Regel auf (quasi-)experimentelle Studien und suchen nach
Ursache-Wirkungs-Mechanismen und Korrelation von Variablen – unter anderem mit Hilfe digitaler Simu-
lation regelhafter Zusammenhänge. Das Menschenbild im Kognitivismus ist weniger mechanistisch als im
Behaviorismus, weil man dem Menschen auch zielgerichtetes Handeln und Problemlösen und nicht nur re-
aktives Verhalten unterstellt. Kennzeichnend ist die Suche nach berechenbaren Beziehungen und Regeln in-
nerhalb von und zwischen Prozessen. Lernende haben eine aktive Rolle, sind aber nicht selbsttätig. Lehren-
de bereiten Inhalte und Probleme didaktisch auf, um den Informationsverarbeitungsprozess zu erleichtern;
sie haben die „Problemhoheit“ und bestimmt weitgehend, was wie gelernt wird. Das Kommunikationsver-
hältnis ist bidirektional, ohne dass aber Lehrende und Lernende tatsächlich gleichberechtigte Rollen haben
(Baumgartner et al., 2004). Anders als im Behaviorismus steuern Lehrende den Output allerdings nicht
über die Gestaltung von Reizen und Konsequenzen, sondern vor allem durch tutorielle Unterstützung, aber
auch durch eine Aufbereitung von Lerninhalten, welche die Informationsaufnahme und das Verstehen er-
leichtert.
Konstruktivismus. Es gibt verschiedene Konstruktivismus-Varianten mit Bezug zur Erkenntnistheorie,
Sprach- und Kommunikationswissenschaft, Wissenssoziologie, Kognitionsforschung etc. (vgl. Pörksen,
2001). Gemeinsam ist ihnen die Auffassung, dass sich Realität nicht objektiv bzw. voraussetzungsfrei oder
gar direkt wahrnehmen und erklären lässt. Vielmehr beruhe jeder Wahrnehmungs-, Denk- und Erkenntnis-
prozess notwendig auf den Konstruktionen der Beobachtenden. Es interessiert daher weniger, was wahr ist,
sondern was sich als nützlich (viabel) erweist (von Glasersfeld, 1996). Für den Konstruktivismus ist der
menschliche Organismus ein System, das zwar energetisch offen und mit der Umwelt strukturell gekoppelt,
aber auch informationell geschlossen ist: Das Gehirn reagiert nach dieser Auffassung nur auf bereits verar-
beitete und interpretierte Information von außen (Autopoiesis). Lernen ist ebenfalls ein autopoietischer Vor-
gang, der nur ermöglicht oder durch Störungen angeregt werden kann. Vertreter/innen des pädagogisch-di-
daktischen Konstruktivismus fordern daher komplexe Lernumgebungen mit authentischen Inhalten und
Aufgaben, die Selbstorganisation und sozialen Austausch anregen (Reusser, 2006).
Von Selbstorganisation geht auch die konnektivistische Vorstellung vom Lernen aus: Lernen findet statt,
wenn man Verbindungen in realen oder virtuellen Netzwerken herstellt und in Netzwerken partizipiert (Mo-
ser, 2008, 67). Einen Status als eigene Lerntheorie hat der Konnektivismus bislang allerdings nicht erlangt.
Wissen ist für den Konstruktivismus eine individuelle und/oder soziale Konstruktionsleistung des Men-
schen. Forschungsmethodisch konzentriert man sich konsequenterweise auf Feldstudien mit teilnehmender
Beobachtung und interpretativen Verfahren, um komplexe Phänomene besser zu verstehen.
L3T
Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Title
- L3T
- Subtitle
- Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Editor
- Martin Ebner
- Sandra Schön
- Publisher
- epubli GmbH
- Location
- Berlin
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 3.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 594
- Keywords
- L3T, online
- Category
- Lehrbücher
Table of contents
- Einleitung 1
- Einführung 11
- Von der Kreidetafel zum Tablet 27
- Die Geschichte des WWW 39
- Hypertext 51
- Geschichte des Fernunterrichts 65
- Informationssysteme 75
- Webtechnologien 89
- Multimediale und interaktive Materialien 99
- Standards für Lehr- und Lerntechnologien 109
- Human-Computer-Interaction 117
- Didaktisches Handeln 127
- Medienpädagogik 139
- Systeme im Einsatz 147
- Kommunikation und Moderation 157
- Forschungszugänge und -methoden 167
- Planung und Organisation 177
- Literatur und Information 185
- Die „Netzgeneration“ 201
- Multimedia und Gedächtnis 209
- Mobiles und ubiquitäres Lernen 217
- Prüfen mit Computer und Internet 227
- Blogging und Microblogging 239
- Vom Online-Skriptum zum E-Book 249
- Educasting 257
- Game-Based Learning 267
- Einsatz kollaborativer Werkzeuge 277
- Offene und partizipative Lernkonzepte 287
- Qualitätssicherung im E-Learning 301
- Offene Lehr- und Forschungsressourcen 311
- Lernen mit Videokonferenzen 319
- Simulationen und simulierte Welten 327
- Barrierefreiheit 343
- Genderforschung 355
- Zukunftsforschung 363
- Kognitionswissenschaft 373
- Diversität und Spaltung 387
- Lern-Service-Engineering 397
- Medientheorien 405
- Das Gesammelte interpretieren 413
- Wissensmanagement 421
- Sieht gut aus 427
- Urheberrecht & Co. in der Hochschullehre 435
- Interessen und Kompetenzen fördern 445
- Spielend Lernen im Kindergarten 455
- Technologieeinsatz in der Schule 465
- Technologie in der Hochschullehre 475
- Fernstudium an Hochschulen 483
- Webbasiertes Lernen in Unternehmen 489
- E-Learning in Organisationen 497
- Erwachsenen- und Weiterbildung 507
- Freie Online-Angebote für Selbstlernende 515
- Sozialarbeit 525
- Human- und Tiermedizin 531
- Online-Labore 539
- Mehr als eine Rechenmaschine 547
- Bildungstechnologien im Sport 557
- Fremdsprachen im Schulunterricht 569