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Zur Datengewinnung werden meist Fragebogenstudien oder Experimente durchgeführt (Möller, 2008, 310).
Neuere Entwicklungen im Bereich quantitativer Medienforschung integrieren Verfahren datenbasierter Ty-
penbildung wie Cluster- oder Korrespondenzanalysen, da die bisherigen Indikatoren gesellschaftlicher He-
terogenität wie Alter oder Schicht nicht mehr ausreichen, um homogene Untergruppen zu bilden (Möller,
2008, 312).
Ebenso finden sich zu Beginn medienpädagogischer Fragestellungen auch an der Medienwirkungsfor-
schung orientierte Studien, die der Frage nachgehen, wie ein medialer Reiz auf ein Individuum wirkt. So
wurden vor allem bis in die 1950er-Jahre PR-Kampagnen und Werbemaßnahmen sowie politische Kampa-
gnen untersucht (Grimm, 2008, 320). Methodisch kamen meist Inhaltsanalysen medialer Produkte zum
Einsatz, aus deren Quantität dann auf die Wirkung beim Individuum geschlossen wird. Inhaltsanalysen und
Rezeptionsforschung verweisen aber meist auf punktuelle Ergebnisse (ebenda, 253). Somit gibt es Proble-
me, sollen einzelne Wirkungen direkt auf Medien zurückgeführt werden: „Aus ihrer Komplexität folgt,
dass das, was mit dem globalen Begriff der Wirkung bezeichnet wird, in Wahrheit ein nicht bis ins letzte zu
entwirrendes Geflecht ist von Wirkung, Gegenwirkung, Wechselwirkung, von Neben-, Mit- und Nachwir-
kung, von kurzfristigen und langfristigen, von offenen und latenten, von kognitiven und emotionalen, von
teils einander verstärkenden, teils einander neutralisierenden Wirkungen“ (Merkert, 1992, 27).
Demgegenüber beschäftigt sich qualitative Medienforschung mit der zentralen Frage „Was macht der
Mensch mit den Medien, die er in Gebrauch nimmt, im Kontext und in Bezug auf seine soziale Umwelt?“
(Theunert, 2008, 302). Es geht also vor allem um Medienaneignung durch das rezipierende Subjekt. Medi-
enaneignung umfasst so Nutzungsstrukturen, also zum Beispiel die Auswahl eines Medienprodukts, oder
auch Präferenzen, aber auch qualitative Dimensionen wie Wahrnehmung von Inhalten sowie deren Bewer-
tung und Verarbeitung. Ausgehend davon haben sich Fragestellungen entwickelt, die nach den Motiven von
Mediennutzenden fragen, sich Medien zuzuwenden oder diese zu nutzen (Gehrau, 2008, 341ff). Diese wer-
den in qualitativen Untersuchungsdesigns meist an Einzelfällen in der Tiefe untersucht. Auch biographi-
sche (z. B. Ganguin, 2008) oder ethnographische Methoden (Bergmann, 2008) werden im Bereich qualitati-
ver Medienforschung eingesetzt. Der medienbiographische Ansatz thematisiert die Bedeutung und Rolle
von Medien für die Biographiekonstruktion und -rekonstruktion von Kindern, Jugendlichen und Erwachse-
nen (Ganguin, 2008, 335), während der medienethnographische Ansatz soziale und kulturelle Praktiken in
Bezug auf Medien mit ethnographischen Methoden untersucht.
In den letzten Jahren haben sich ausgehend von einer Kritik vor allem in der empirischen Bildungswis-
senschaft auch Verfahren herauskristallisiert, die unter dem Stichwort Design-Based Research oder Ent-
wicklungsorientierte Bildungsforschung (Reinmann & Sesink, 2011) auch in der Medienpädagogik dis-
kutiert werden (z.B. Tulodziecki et al., 2013). So weist u.a. Gabi Reinmann auf Limitationen traditioneller
Ansätze bildungswissenschaftlicher Forschung hin, welche die Frage nach dem Nutzen meist nachrangig
thematisiert. Gerade aber für die Medienpädagogik als Handlungswissenschaft ist die Frage nach der Ent-
wicklung und Gestaltung von medial geprägten Bildungsprozessen essenziell und kann nicht aus dem For-
schungsinteresse verbannt werden (Reinmann & Sesink, 2011, 3). Vielmehr werden gerade Entwicklungen
der Praxis wissenschaftlich untersucht, um diese zu verbessern, gleichzeitig aber auch Theoriegewinnung
zu betreiben.
Doch wie oben schon angedeutet, ist es auffällig, dass genuin medienpädagogische Fragestellungen bei-
spielsweise auch hinsichtlich einer Gestaltung von medialen (Lern-)Umgebungen oftmals wenig themati-
siert werden (Petko, 2011), ebenso wie eine Kombination von praxisverändernder und wirkungsorientierter
Forschung fehlt. Aber auch sonstige medienpädagogische Forschung wird durchaus als defizitär einge-
schätzt. So konstatiert auch Hoffmann (2013): „Der Forschungsbedarf ist aufgrund der Ausdifferenzierung
der Medien und zugleich Konvergenz der Medien groß“ (S. 24).
Als ein Ziel medienpädagogischer Tätigkeit und Praxis kann der Erwerb von Medienkompetenz bzw. der
Ermöglichung von Medienbildungsprozessen gelten. Doch was sich genau hinter diesen Konstrukten ver-
birgt und wie diese genau zusammenhängen, darüber herrschen aufgrund der unterschiedlichen Referenz-
disziplinen der Medienpädagogik unterschiedliche Meinungen vor (Schiefner-Rohs, 2012). Seitdem in den
1970er-Jahren der Begriff der Medienkompetenz von Baacke in die Diskussion gebracht wurde, hat der Be-
griff viele Debatten rund um das Lernen mit Medien ausgelöst, wobei er aktuell, so scheint es, von Medien-
bildung abgelöst wird (kritisch dazu u.a. Jörissen, 2011).
L3T
Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Title
- L3T
- Subtitle
- Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Editor
- Martin Ebner
- Sandra Schön
- Publisher
- epubli GmbH
- Location
- Berlin
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 3.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 594
- Keywords
- L3T, online
- Category
- Lehrbücher
Table of contents
- Einleitung 1
- Einführung 11
- Von der Kreidetafel zum Tablet 27
- Die Geschichte des WWW 39
- Hypertext 51
- Geschichte des Fernunterrichts 65
- Informationssysteme 75
- Webtechnologien 89
- Multimediale und interaktive Materialien 99
- Standards für Lehr- und Lerntechnologien 109
- Human-Computer-Interaction 117
- Didaktisches Handeln 127
- Medienpädagogik 139
- Systeme im Einsatz 147
- Kommunikation und Moderation 157
- Forschungszugänge und -methoden 167
- Planung und Organisation 177
- Literatur und Information 185
- Die „Netzgeneration“ 201
- Multimedia und Gedächtnis 209
- Mobiles und ubiquitäres Lernen 217
- Prüfen mit Computer und Internet 227
- Blogging und Microblogging 239
- Vom Online-Skriptum zum E-Book 249
- Educasting 257
- Game-Based Learning 267
- Einsatz kollaborativer Werkzeuge 277
- Offene und partizipative Lernkonzepte 287
- Qualitätssicherung im E-Learning 301
- Offene Lehr- und Forschungsressourcen 311
- Lernen mit Videokonferenzen 319
- Simulationen und simulierte Welten 327
- Barrierefreiheit 343
- Genderforschung 355
- Zukunftsforschung 363
- Kognitionswissenschaft 373
- Diversität und Spaltung 387
- Lern-Service-Engineering 397
- Medientheorien 405
- Das Gesammelte interpretieren 413
- Wissensmanagement 421
- Sieht gut aus 427
- Urheberrecht & Co. in der Hochschullehre 435
- Interessen und Kompetenzen fördern 445
- Spielend Lernen im Kindergarten 455
- Technologieeinsatz in der Schule 465
- Technologie in der Hochschullehre 475
- Fernstudium an Hochschulen 483
- Webbasiertes Lernen in Unternehmen 489
- E-Learning in Organisationen 497
- Erwachsenen- und Weiterbildung 507
- Freie Online-Angebote für Selbstlernende 515
- Sozialarbeit 525
- Human- und Tiermedizin 531
- Online-Labore 539
- Mehr als eine Rechenmaschine 547
- Bildungstechnologien im Sport 557
- Fremdsprachen im Schulunterricht 569