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Das tradierte hypothesenprüfende Verfahren versucht, bestehende Theorien zum technologiegestützten
Lehren und Lernen zu bestätigen, zu überprüfen und gegebenenfalls in der Folge auch zu überarbeiten be-
ziehungsweise anzupassen, zu adaptieren. Theorien sind allgemein Erklärungen der Dinge um uns herum,
Vorstellungen davon, wie die Welt um uns herum „funktioniert“. Eine wissenschaftliche Theorie ist „jede
wissenschaftliche Wissenseinheit, in welcher Tatsachen und Modellvorstellungen bzw. Hypothesen zu ei-
nem Ganzen verarbeitet sind“ (Schischkoff, 1991, 721f.). In der Pädagogik, ähnliche Formulierungen fin-
den sich für die pädagogische Psychologie, wird darunter ein System von Aussagen verstanden, „das dem
Zweck dient, Einzelerkenntnisse so zu ordnen und gedanklich zu vervollständigen, dass über ein bestimm-
tes Gebiet der Wirklichkeit (z. B. der Schule, das Spiel) möglichst widerspruchsfrei Darstellungen und Er-
klärungen der Zustände oder Entwicklungen in diesem Gebiet möglich werden“ (Schaub & Zenke, 2004,
352). Minimalanforderungen an eine Theorie sind, dass sie die Vorschriften von Logik und Grammatik be-
rücksichtigt und dass sie widerspruchsfrei, überprüfbar und empirisch bestätigt ist. Schließlich soll sie ei-
nen praktischen Nutzen haben und nicht unnötig kompliziert sein.
Eine Forschungsarbeit mit diesem Zugang wird zunächst die Auswahl einer bestimmten Theorie be-
gründen, daraus Hypothesen ableiten, ein Forschungsdesign vorstellen und umsetzen, um dann schließlich,
unter anderem mit inferenzstatistischen Verfahren, Ergebnisse vorzustellen.
Der zweite Forschungszugang zielt nicht auf vergleichsweise konkrete Problemlösungen ab, sondern ver-
sucht, Hypothesen, Theorien und Handlungsempfehlungen zu entwickeln. So gibt es in der geisteswissen-
schaftlich, also auch philosophisch orientierten Pädagogik den Zugang, durch Verstehen, Diskurs und Ana-
lyse der Praxis Erklärungen und Modelle zu finden. Mit Hilfe von Daten von Lerneraktivitäten und -verhal-
ten versuchen andere, auch mit Hilfe der Anwendung von Algorithmen und statistischen Verfahren, neue
Ideen über die Verhältnisse und Phänomene zu entwickeln und darauf aufbauend Hypothesen zu formulie-
ren. Diese werden erst in weiteren Untersuchungen näher untersucht. Viele Erhebungen zu Daten von Nut-
zerinnen und Nutzern oder Umfragen zur Mediennutzung sind so Beobachtungstudien, die mit der Absicht
(regelmäßig) durchgeführt werden, zum Beispiel auf Änderungen reagieren zu können oder daraus Hypo-
thesen abzuleiten.
Typischerweise kommen solche „explorativen“ oder „explorierenden“, also erkundende, Verfahren zum
Einsatz, wenn es um eine Forschungsfrage geht, oder wenn es Quellenmaterialien gibt, zu denen es wenige
existierende theoretische Annahmen gibt. Hier wird typischerweise eher „breit“ versucht Daten zu erheben,
beispielsweise beim Fallstudienvergleich durch eine Sammlung möglichst vieler und unterschiedlicher
Quellenmaterialien. Die Auswertung der Daten führt hier zu Annahmen (Hypothesen) und Heuristiken.
Die Erziehungswissenschaft sowie die angewandte Informatik sind stark anwendungsorientierte Wissen-
schaften, die sich häufig mit konkreten praktischen Herausforderungen des technologiegestützten Lehren
und Lernens beschäftigen. Im Bereich der angewandten Informatik überwiegt der ingenieurwissenschaftli-
che Zugang, also viele Verfahren, die systematisch die Entwicklung und Überprüfung von konkreten Syste-
men und Anwendungen unterstützen. Im Bereich der Erziehungswissenschaft gibt es immer wieder Vor-
schläge und Ermunterung, den Forschungszugang der anwendungsorientierten Gestaltung und Evaluation
als gleichwertig neben dem bereits vorgestellten tradierten hypothesenprüfenden Verfahren anzuerkennen.
Reinmann (2005) plädiert hier so für einen Forschungsansatz, der auf der Designentwicklung basiert, um so
auch Innovationen mitzugestalten (engl. „design based research“, vgl. auch Kapitel #designforschung; Ree-
ves, 2006).
L3T
Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Title
- L3T
- Subtitle
- Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Editor
- Martin Ebner
- Sandra Schön
- Publisher
- epubli GmbH
- Location
- Berlin
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 3.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 594
- Keywords
- L3T, online
- Category
- Lehrbücher
Table of contents
- Einleitung 1
- Einführung 11
- Von der Kreidetafel zum Tablet 27
- Die Geschichte des WWW 39
- Hypertext 51
- Geschichte des Fernunterrichts 65
- Informationssysteme 75
- Webtechnologien 89
- Multimediale und interaktive Materialien 99
- Standards für Lehr- und Lerntechnologien 109
- Human-Computer-Interaction 117
- Didaktisches Handeln 127
- Medienpädagogik 139
- Systeme im Einsatz 147
- Kommunikation und Moderation 157
- Forschungszugänge und -methoden 167
- Planung und Organisation 177
- Literatur und Information 185
- Die „Netzgeneration“ 201
- Multimedia und Gedächtnis 209
- Mobiles und ubiquitäres Lernen 217
- Prüfen mit Computer und Internet 227
- Blogging und Microblogging 239
- Vom Online-Skriptum zum E-Book 249
- Educasting 257
- Game-Based Learning 267
- Einsatz kollaborativer Werkzeuge 277
- Offene und partizipative Lernkonzepte 287
- Qualitätssicherung im E-Learning 301
- Offene Lehr- und Forschungsressourcen 311
- Lernen mit Videokonferenzen 319
- Simulationen und simulierte Welten 327
- Barrierefreiheit 343
- Genderforschung 355
- Zukunftsforschung 363
- Kognitionswissenschaft 373
- Diversität und Spaltung 387
- Lern-Service-Engineering 397
- Medientheorien 405
- Das Gesammelte interpretieren 413
- Wissensmanagement 421
- Sieht gut aus 427
- Urheberrecht & Co. in der Hochschullehre 435
- Interessen und Kompetenzen fördern 445
- Spielend Lernen im Kindergarten 455
- Technologieeinsatz in der Schule 465
- Technologie in der Hochschullehre 475
- Fernstudium an Hochschulen 483
- Webbasiertes Lernen in Unternehmen 489
- E-Learning in Organisationen 497
- Erwachsenen- und Weiterbildung 507
- Freie Online-Angebote für Selbstlernende 515
- Sozialarbeit 525
- Human- und Tiermedizin 531
- Online-Labore 539
- Mehr als eine Rechenmaschine 547
- Bildungstechnologien im Sport 557
- Fremdsprachen im Schulunterricht 569