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Empirische Datengrundlage fehlt: Betrachtet man die empirische Basis der Kernaussagen des Kon-
zepts der „Netzgeneration“, wird schnell deutlich, dass die Aussagen nicht gemäß wissenschaftlicher Stan-
dards empirisch abgesichert sind. Die Beschreibungen basieren auf Einzelbeobachtungen und anekdoti-
scher Evidenz, nutzen also grundsätzlich nur sehr kleine Fallzahlen und beziehen sich überwiegend auf die
US-amerikanische weiße Mittelschicht. Die Ergebnisse können daher in keiner Weise als repräsentativ für
eine ganze Alterskohorte gesehen werden. Die Kernaussagen zur „Netzgeneration“ sind daher vielmehr un-
zulässige Verallgemeinerungen.
Jugendliches Mediennutzungsverhalten ist differenzierter: Betrachtet man den Mediengebrauch und
die Medienkompetenz differenzierter, ergibt sich ein anderes Bild: Die vermeintlich einheitliche „Netzge-
neration“ zerfällt in vielfältige Subgruppen, die ganz unterschiedliche Nutzungsgewohnheiten, Kenntnisse
und Kompetenzen haben. Außerdem hebt die weite allgemeine Verfügbarkeit digitaler Technologien nicht
zwangsläufig soziale Unterschiede auf (siehe zum Beispiel BMBF, 2010; Livingstone & Haddon, 2009;
Palfrey & Gasser, 2008). Aktuelle empirische Studien zum Medien(nutzungs)verhalten zeigen komplexere
Aufteilungen und belegen Unterschiede in Zugang und Nutzungsart in Abhängigkeit von soziokulturellen
Parametern (vergleiche zum Beispiel EU Kids Online, 2009; JIM-Studie, 2009; ARD/ZDF-Onlinestudie,
2009; Treumann et al., 2007). Die in repräsentativen empirischen Studien belegte Diversität des Medien-
handelns, der vorhandenen Kompetenzniveaus und der Nutzungsarten wird in Abschnitt 3 skizziert.
Argumentation ist von technologischem Determinismus durchzogen: Die Verfechterinnen und Ver-
fechter der „Netzgeneration“, insbesondere Prensky (2001), argumentieren, dass die behaupteten Formen
des Medienhandelns und der Eigenschaften der Kinder und Jugendlichen der „Netzgeneration“ unmittelbar
aus dem Vorhandensein der digitalen Technologien und dem selbstverständlichen Umgang damit resultie-
ren. Hier scheint eine Argumentationsfigur des technologischen Determinismus auf: Die Technologien
scheinen quasi unabhängig von den handelnden Subjekten eine Kraft und eigenmächtige Wirkung auf die
Mitglieder der sogenannten „Netzgeneration“ zu entfalten. Dass Mediennutzung immer soziales Handeln
ist, das von verschiedenen soziokulturellen Faktoren beeinflusst wird und in einem komplexen Zusammen-
spiel von Subjekt und Technologien entsteht, wird ignoriert. Damit werden alle Erkenntnisse zu Sozialisati-
onsprozessen einerseits und zur sozialen Konstruiertheit von Technologien andererseits nicht berücksich-
tigt. Technologien scheinen menschliches Handeln eindimensional zu bestimmen. Dieser Determinismus
steht im krassen Widerspruch zur Komplexität menschlichen Handelns allgemein und der Medienaneig-
nung im Speziellen (auch Buckingham, 2006).
Hier sollen vier neuere, repräsentative Studien herangezogen werden, um die Diversität innerhalb der Me-
diennutzung unter den Jüngeren zu belegen: EU Kids Online (2009), JIM-Studie (2012), ARD/ZDF-On-
linestudie (2009) und die Studie zum Medienhandeln Jugendlicher von Treumann et al. (2007). Diese Stu-
dien beleuchten unterschiedliche Aspekte zum Medienhandeln und Mediennutzungsverhalten, unterschei-
den sich in Anlage und Detailzielen und entsprechend auch in den Ergebnissen. Sie belegen aber dennoch
deutlich, dass das Bild der „Netzgeneration“ mit der pauschalen Vermutung eines einheitlichen und kompe-
tenten Medienhandelns und einer ebensolchen Mediennutzung nicht aufrecht zu erhalten ist.
Die ARD/ZDF-Onlinestudie 2009 zeigt zwar, dass sich das Mediennutzungsverhalten der unter 30-Jährigen
stark von dem der darüber liegenden Altersgruppen unterscheidet, aber dass die Gruppe der unter-30-Jähri-
gen dennoch mindestens in zwei verschiedene Subgruppen zerfällt: Unter Rückgriff auf die Typologie der
Mediennutzer/innen der MNT-Justierungsstudie 2006 werden die Subgruppen „Junge Wilde“ und „Zielstre-
bige Trendsetter“ unterschieden, deren Medienhandeln in zahlreichen Bereichen Differenzen aufweist. Die-
se können durch verschiedene Bedürfnis- und Interessenlagen, Bildungsniveaus und lebensweltliche Rah-
menbedingungen erklärt werden (Oehmichen & Schröter 2009).
L3T
Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Title
- L3T
- Subtitle
- Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Editor
- Martin Ebner
- Sandra Schön
- Publisher
- epubli GmbH
- Location
- Berlin
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 3.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 594
- Keywords
- L3T, online
- Category
- Lehrbücher
Table of contents
- Einleitung 1
- Einführung 11
- Von der Kreidetafel zum Tablet 27
- Die Geschichte des WWW 39
- Hypertext 51
- Geschichte des Fernunterrichts 65
- Informationssysteme 75
- Webtechnologien 89
- Multimediale und interaktive Materialien 99
- Standards für Lehr- und Lerntechnologien 109
- Human-Computer-Interaction 117
- Didaktisches Handeln 127
- Medienpädagogik 139
- Systeme im Einsatz 147
- Kommunikation und Moderation 157
- Forschungszugänge und -methoden 167
- Planung und Organisation 177
- Literatur und Information 185
- Die „Netzgeneration“ 201
- Multimedia und Gedächtnis 209
- Mobiles und ubiquitäres Lernen 217
- Prüfen mit Computer und Internet 227
- Blogging und Microblogging 239
- Vom Online-Skriptum zum E-Book 249
- Educasting 257
- Game-Based Learning 267
- Einsatz kollaborativer Werkzeuge 277
- Offene und partizipative Lernkonzepte 287
- Qualitätssicherung im E-Learning 301
- Offene Lehr- und Forschungsressourcen 311
- Lernen mit Videokonferenzen 319
- Simulationen und simulierte Welten 327
- Barrierefreiheit 343
- Genderforschung 355
- Zukunftsforschung 363
- Kognitionswissenschaft 373
- Diversität und Spaltung 387
- Lern-Service-Engineering 397
- Medientheorien 405
- Das Gesammelte interpretieren 413
- Wissensmanagement 421
- Sieht gut aus 427
- Urheberrecht & Co. in der Hochschullehre 435
- Interessen und Kompetenzen fördern 445
- Spielend Lernen im Kindergarten 455
- Technologieeinsatz in der Schule 465
- Technologie in der Hochschullehre 475
- Fernstudium an Hochschulen 483
- Webbasiertes Lernen in Unternehmen 489
- E-Learning in Organisationen 497
- Erwachsenen- und Weiterbildung 507
- Freie Online-Angebote für Selbstlernende 515
- Sozialarbeit 525
- Human- und Tiermedizin 531
- Online-Labore 539
- Mehr als eine Rechenmaschine 547
- Bildungstechnologien im Sport 557
- Fremdsprachen im Schulunterricht 569