Page - 271 - in L3T - Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
Image of the Page - 271 -
Text of the Page - 271 -
271
Im Idealfall ist spielbasiertes Lernen also mit einem hohen Maß an intrinsischer Motivation verbunden und
kann strategisches Denken und Entscheidungsfindung in einem Kontext anregen, wo Lösungen anspruchs-
voller Probleme mit der Möglichkeit verschiedener Handlungsalternativen gefordert werden (Helm &
Theis, 2009). Die Lernziele von Game-Based Learning gehen über das reine Verstehen und Speichern von
Lerninhalten hinaus, sie beinhalten auch den Erwerb von generischen und metakognitiven Fertigkeiten wie
den Umgang mit komplexen Situationen oder das Durchdenken und Erkunden von erforderlichen Handlun-
gen (unter anderem mittels Informationssuche unter Zeitdruck oder schnellem Reagieren auf Bedrohun-
gen). Das Sammeln positiver Selbstwirksamkeitserfahrungen kann außerdem das allgemeine Selbstvertrau-
en im Umgang mit Unsicherheiten stärken (Kerres et al., 2009).
Es stellt sich aber die Frage, inwiefern sich Spiele überhaupt in der gewünschten Weise instrumentali-
sieren lassen, wenn Spiele nach Spieltheoretikern wie Huizinga oder Caillois eigentlich zweckfreie und
freiwillige Handlungen sind, die losgelöst vom Alltagsleben nach eigenen Regeln funktionieren (Huizinga,
1961; Caillois, 2001). Die Beschreibung der Lernprozesse beim Spielen deutete bereits darauf hin, dass im-
plizites Lernen nicht als Lernaktivität wahrgenommen wird und so gesehen die ideale und erwünschte
Lernweise darstellt („Stealth-Learning“), wobei explizites Lernen – zumindest potenziell – den Spielfluss
stören kann. Bopp (2005) bezeichnet daher die Lehr-Lern-Methode in digitalen Spielen als Programm einer
immersiven Didaktik. Mediale oder technische Brüche in Lernspielen fördern dieses Gefühl der Störung
zusätzlich. Beispielsweise kommt Jantke (2007) aus der Analyse einiger kommerziell erfolgreicher Lern-
spiele zu dem Schluss, dass den Herstellern in vielen Fällen keine didaktisch sinnvolle Integration von
Lerninhalten und Spielmechanik gelingt: In einigen Spielen werden Spiel- und Lernbereiche voneinander
getrennt, wobei Lerninhalte nicht immer relevant für den Spielablauf sind oder Spielende sogar zum Lernen
gezwungen werden, um im Spiel voranzukommen. Zudem bereiten nach einer Untersuchung bekannterer
Serious Games durch Shen et al. (2009) viele Titel nicht annähernd das von Unterhaltungsspielen gewohnte
Maß an Spielspaß, da ihre technische Funktionalitäten, ihre ästhetische Präsentationen und vor allem ihr
Game Design nicht an den Standard konventioneller Spiele heranreichen, was aber hauptsächlich durch das
wesentlich geringere Investitionsbudget für Lernspiele begründet werden kann. Die Absicht, digitale Spiele
für Bildungszwecke zu nutzen, stellt somit große Herausforderungen an das Instruktions- und an das Spiel-
design, da mit einer unausgewogenen Balance aus pädagogischem Anspruch und spieltechnischer Umset-
zung Ergebnisse erzeugt werden, die weder lehrreich noch unterhaltsam sind (Kerres et al., 2009).
Der hohe pädagogische Anspruch spiegelt sich auch in den ambivalenten Erwartungen wider, die oft an
(Digital) Game-Based Learning gestellt werden. Danach sollen die im (Digital) Game-Based Learning ein-
gesetzten Spiele (Jenkins et al., 2009):
einen offenen Rahmen für Exploration eröffnen, aber gleichzeitig ein festgelegtes Curriculum abde-
cken,
komplex genug sein, um viele Lerninhalte zu bieten, aber in der Beschaffung oder in der Produktion
keine hohen Kosten verursachen,
den Spielenden lange motivieren und fesseln, aber nicht zu Lasten der Behandlung anderer Lernin-
halte gehen und
genauso viel Spielspaß bereiten wie Unterhaltungsspiele, unabhängig davon, welche Lerninhalte zu
vermitteln sind.
Jenkins et al. (2009) kritisieren zudem die irrtümliche, aber verbreitete Auffassung, dass bei Lernenden auf-
grund der spielerischen Vermittlungsform erwünschte Lerninhalte oder Fähigkeiten einfach indoktriniert
werden könnten. Digitale Lernspiele dürfen gerade nicht als spielerische Varianten instruktiver Lernsoft-
ware verstanden werden, sondern besitzen wie bereits erläutert spezifische Mechanismen und Wirkungs-
weisen, um Lernprozesse anzuregen. Um gewünschte Lernziele zu erreichen, reicht es daher nicht aus,
Lerninhalte lediglich in digitalen Spielen zu platzieren, sondern die Inhalte müssen mit der Spielmechanik
verzahnt werden, um durch die Lernprozesse beim Spielen die angestrebten Effekte zu fördern.
Table of contents
- Einleitung 1
- Einführung 11
- Von der Kreidetafel zum Tablet 27
- Die Geschichte des WWW 39
- Hypertext 51
- Geschichte des Fernunterrichts 65
- Informationssysteme 75
- Webtechnologien 89
- Multimediale und interaktive Materialien 99
- Standards für Lehr- und Lerntechnologien 109
- Human-Computer-Interaction 117
- Didaktisches Handeln 127
- Medienpädagogik 139
- Systeme im Einsatz 147
- Kommunikation und Moderation 157
- Forschungszugänge und -methoden 167
- Planung und Organisation 177
- Literatur und Information 185
- Die „Netzgeneration“ 201
- Multimedia und Gedächtnis 209
- Mobiles und ubiquitäres Lernen 217
- Prüfen mit Computer und Internet 227
- Blogging und Microblogging 239
- Vom Online-Skriptum zum E-Book 249
- Educasting 257
- Game-Based Learning 267
- Einsatz kollaborativer Werkzeuge 277
- Offene und partizipative Lernkonzepte 287
- Qualitätssicherung im E-Learning 301
- Offene Lehr- und Forschungsressourcen 311
- Lernen mit Videokonferenzen 319
- Simulationen und simulierte Welten 327
- Barrierefreiheit 343
- Genderforschung 355
- Zukunftsforschung 363
- Kognitionswissenschaft 373
- Diversität und Spaltung 387
- Lern-Service-Engineering 397
- Medientheorien 405
- Das Gesammelte interpretieren 413
- Wissensmanagement 421
- Sieht gut aus 427
- Urheberrecht & Co. in der Hochschullehre 435
- Interessen und Kompetenzen fördern 445
- Spielend Lernen im Kindergarten 455
- Technologieeinsatz in der Schule 465
- Technologie in der Hochschullehre 475
- Fernstudium an Hochschulen 483
- Webbasiertes Lernen in Unternehmen 489
- E-Learning in Organisationen 497
- Erwachsenen- und Weiterbildung 507
- Freie Online-Angebote für Selbstlernende 515
- Sozialarbeit 525
- Human- und Tiermedizin 531
- Online-Labore 539
- Mehr als eine Rechenmaschine 547
- Bildungstechnologien im Sport 557
- Fremdsprachen im Schulunterricht 569