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Diese Eigenschaften sind weder ausschließlich den darin involvierten menschlichen, noch den techni-
schen Akteuren zuzuschreiben. Sie sind vielmehr Netzwerkeigenschaften, die nur aus dem Zusammen-
schluss heterogener Akteure entstehen können. Die Akteur-Netzwerk-Theorie beschreibt heutige Entwick-
lungen wie das Web 2.0 als das Entstehen von hybriden, heterogenen Konstellationen menschlicher und
nicht-menschlicher Akteure und erklärt damit die heutigen gesellschaftlichen Entwicklungen, ohne dabei
einem Technikenthusiasmus oder einem Misstrauen aller Technik gegenüber zu verfallen.
Einen Praxisbezug im Bildungskontext bekommt die Akteur-Netzwerk-Theorie beim Einsatz mobiler Lern-
technologien im Schulunterricht. Als konkretes Szenario kann man den Unterricht mit Netbooks heranzie-
hen.
Die Vernetzung der Lehrenden und Lernenden über die digitalen Medien, Web-2.0-Anwendungen und so-
zialen Netzwerke, die durch den Einsatz von Netbooks erzielt wird, erweitert die didaktischen Möglichkei-
ten im Unterricht, beispielsweise indem Lehrende und Lernende Inhalte mit Blogs, Wikis oder Online-
Werkzeugen gemeinsam entwickeln (Herzig et al., 2010). Die dabei neu entstehenden kollektiven Wissens-
basen im Web 2.0 sind wichtige Handlungsträger (Akteure) im Sinne der ANT, die maßgeblich beeinflus-
sen, wann, wo und wie Wissen erworben, verfügbar gestellt und verarbeitet wird. Dabei betrachtet die ANT
als Akteure nicht mehr nur die einzelnen Lernenden oder Lehrenden selbst, sondern das komplexe Umfeld,
in dem der Unterricht mit Netbooks stattfindet. Indem Lernende die didaktischen Möglichkeiten nutzen, die
ihnen diese Wissensbasen zur Verfügung stellen, nehmen sie sie als Akteur in ihr Akteur-Netzwerk auf.
Diese neu entstandenen Wissensbasen stellen ein Beispiel für Akteure dar, die den Zusammenschluss von
Mensch und Technologie im Akteur-Netzwerk eines Netbook-Unterrichts bilden.
Betrachtet man Mensch und Technologie, aber auch andere Artefakte aus dem Umfeld, im Sinne der
ANT als handlungstragende Akteure im Netzwerk der Lehrenden und Lernenden, so bedeutet das am Bei-
spiel des Netbook-Unterrichts, folgende wichtige Akteure zu erkennen und in den Unterricht zu integrieren:
Technologien (wie Netbooks, Beamer, Schulnetzwerke, Content-Filter, private IT-Infrastrukturen),
Wissensbasen (wie Web-2.0-Tools, freie Bildungsressourcen, persönliche Lernumgebungen),
Menschen (wie Lehrende, Lernende, Schulleitung, Eltern, Technologieanbieter/innen, Serviceprovi-
der),
Lehr- und Lernorte (wie Raum- und Schulorganisation, Bibliothek, Labor, private Lernumgebung)
und institutionelle Artefakte (wie organisatorische, rechtliche Rahmenbedingungen).
Die didaktischen Möglichkeiten im Unterricht erweitern sich, wenn institutionelle Rahmenbedingungen
existieren, die ein offenes Zusammenwirken der Akteure zulassen (zum Beispiel flexible Raum- und Unter-
richtsgestaltung, Möglichkeiten zur Computernutzung außerhalb des Unterrichts, Zieldefinitionen mit der
Schulleitung, Nutzungsvereinbarungen mit Schülerinnen und Schülern) (Schaumburg et al., 2007).
Indem Technologie selbst als Akteur agiert und den Lehrenden und Lernenden gewisse Handlungspro-
gramme aufgrund ihrer Eigenschaften anbietet, übernimmt sie bei der Stabilisierung der Akteur-Netzwerke
eine wichtige Funktion. Beispielsweise nimmt auch die Prozessor- und Akkuleistung eines Netbooks Ein-
fluss darauf, wie gerne, wie intensiv, oder für welche Lern- und Unterrichtszwecke das Netbook verwendet
wird. Die Verfügbarkeit eines Beamers und die Abdunkelungsmöglichkeit im Klassenraum bestimmen, ob
und in welchem Ausmaß Arbeitsaufträge elektronisch bearbeitet und präsentiert werden können. Schließ-
lich beeinflusst auch die Netzwerkgestaltung in und außerhalb der Schule, in welchen Formen kollaborative
oder webbasierte Arbeitsaufträge im Unterricht sinnvoll bearbeitet werden können. Technische Artefakte
wie Netbook, Beamer oder Schulnetzwerke werden somit zu entscheidenden Akteuren im technologieba-
sierten Unterricht, die die didaktischen Einsatzszenarien der Lehrenden und Lernenden beeinflussen bezie-
hungsweise mitbestimmen.
Die ANT geht davon aus, dass sich Lehrende und Lernende laufend in ihren Akteur-Netzwerken bewegen
und die Handlungsprogramme anderer Akteure nutzen, um ihr Lehr- und Lerninteresse zu verfolgen.
L3T
Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Title
- L3T
- Subtitle
- Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Editor
- Martin Ebner
- Sandra Schön
- Publisher
- epubli GmbH
- Location
- Berlin
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 3.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 594
- Keywords
- L3T, online
- Category
- Lehrbücher
Table of contents
- Einleitung 1
- Einführung 11
- Von der Kreidetafel zum Tablet 27
- Die Geschichte des WWW 39
- Hypertext 51
- Geschichte des Fernunterrichts 65
- Informationssysteme 75
- Webtechnologien 89
- Multimediale und interaktive Materialien 99
- Standards für Lehr- und Lerntechnologien 109
- Human-Computer-Interaction 117
- Didaktisches Handeln 127
- Medienpädagogik 139
- Systeme im Einsatz 147
- Kommunikation und Moderation 157
- Forschungszugänge und -methoden 167
- Planung und Organisation 177
- Literatur und Information 185
- Die „Netzgeneration“ 201
- Multimedia und Gedächtnis 209
- Mobiles und ubiquitäres Lernen 217
- Prüfen mit Computer und Internet 227
- Blogging und Microblogging 239
- Vom Online-Skriptum zum E-Book 249
- Educasting 257
- Game-Based Learning 267
- Einsatz kollaborativer Werkzeuge 277
- Offene und partizipative Lernkonzepte 287
- Qualitätssicherung im E-Learning 301
- Offene Lehr- und Forschungsressourcen 311
- Lernen mit Videokonferenzen 319
- Simulationen und simulierte Welten 327
- Barrierefreiheit 343
- Genderforschung 355
- Zukunftsforschung 363
- Kognitionswissenschaft 373
- Diversität und Spaltung 387
- Lern-Service-Engineering 397
- Medientheorien 405
- Das Gesammelte interpretieren 413
- Wissensmanagement 421
- Sieht gut aus 427
- Urheberrecht & Co. in der Hochschullehre 435
- Interessen und Kompetenzen fördern 445
- Spielend Lernen im Kindergarten 455
- Technologieeinsatz in der Schule 465
- Technologie in der Hochschullehre 475
- Fernstudium an Hochschulen 483
- Webbasiertes Lernen in Unternehmen 489
- E-Learning in Organisationen 497
- Erwachsenen- und Weiterbildung 507
- Freie Online-Angebote für Selbstlernende 515
- Sozialarbeit 525
- Human- und Tiermedizin 531
- Online-Labore 539
- Mehr als eine Rechenmaschine 547
- Bildungstechnologien im Sport 557
- Fremdsprachen im Schulunterricht 569