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In den 1980er Jahren entstand ein fließender Übergang zu Differenzansätzen. Darunter sind all jene Theori-
en und Konzepte subsumiert, die von Geschlechtsunterschieden zwischen Männern und Frauen ausgehen.
Der Ansatz basiert auf der Annahme unterschiedlicher Lebensäußerungen von Frauen und Männern durch
die Einbindung in unterschiedliche Lebenswelten. Fragestellungen, die sich aus dieser Perspektive für das
Lernen und Lehren mit neuen Technologien ergeben, sind beispielsweise das Internetnutzungsverhalten
oder die Internetkompetenzen von Männern und Frauen, die Interessen für oder Einstellungen gegenüber
neuen Technologien, Computern oder elektronischen Spielen. Aber auch geschlechtsspezifische Präferen-
zen für bestimmte didaktische Modelle stehen im Zentrum der Untersuchungen. Zu diesen Fragen liegt
mittlerweile eine breite Forschungsbasis vor (für einen Überblick vgl. Abbot et al., 2007). Kritisch wird an
Differenzansätzen angemerkt, dass sie allein durch die Benennung geschlechtsspezifischer Unterschiede –
aber noch mehr durch die Einbeziehung dieser Forschungsergebnisse in die Gestaltung technologieunter-
stützter Lernszenarien – zu einer Festschreibung dieser Unterschiede beitragen und damit strukturell sym-
bolische Hierarchisierungen reproduziert werden.
So wird in neueren Ansätzen des Konstruktivismus das Augenmerk auf die gesellschaftliche Konstruktion
der Zweigeschlechtlichkeit gelegt. Dabei lassen sich zwei Hauptströmungen unterscheiden: der soziale
Konstruktivismus und der Dekonstruktivismus.
Im sozialen Konstruktivismus wird das Augenmerk auf die Herstellung des sozialen Geschlechts, auf
das „Doing Gender“, in Interaktionen und sozialen Prozessen gelegt: Gender wird in permanenten Zu-
schreibungs-, Wahrnehmungs- und Darstellungsroutinen reproduziert, die sich lebensgeschichtlich verfesti-
gen und identitätswirksam sind. Diesem Prozess kommt damit, wie in Kapitel 1 beschrieben, eine weitrei-
chende Bedeutung in der Konstruktion von Weiblichkeit und Männlichkeit zu.
Den bisher vorgestellten Ansätzen ist die zentrale Annahme gemeinsam, dass das biologische und das
soziale Geschlecht analytisch voneinander getrennt werden können. Wenn das Geschlecht aber unabhängig
vom biologischen Geschlecht sozial konstruiert ist, stellt sich die Frage nach der Bedeutung der Biologie.
Judith Butler (1990; 1991) als wohl prominenteste Vertreterin des Dekonstruktivismus versteht nicht nur
Gender, sondern auch das biologische Geschlecht („Sex“) als diskursive Konstruktion, die permanent per-
formativ – das heißt im ständigen Zitieren von (Geschlechter-)Normen – hergestellt wird. So ruft beispiels-
weise auch der biologische Begriff „Frau“ eine Vorstellung hervor, die soziale Konstruktionen beinhaltet.
Dabei wird es als problematisch erachtet, dass sich auf diese Weise Stereotypen verfestigen und dass dicho-
tome Beschreibungen kein Raum für Differenzen, Vielfalt oder Heterogenität innerhalb der jeweiligen
Gruppe zulassen. Im Dekonstruktivismus steht so die Dekonstruktion von Dichotomien allgemein und ins-
besondere auch des Systems der Zweigeschlechtlichkeit im Vordergrund.
Zwar wird im Konstruktivismus das gleiche „Material“ für die Analyse herangezogen, es ist aber nicht
das Herausarbeiten von Unterschieden, das die Forschungsfragen hier bestimmt. Vielmehr interessiert die
Dekonstruktion von Geschlechterpolaritäten. Unterschiede zwischen den Geschlechtern interessieren somit
in ihrer Funktion zur Herstellung und Aufrechterhaltung der Zweigeschlechtlichkeit. Fragestellungen im
Kontext des Lehrens und Lernens mit neuen Technologien wären hier beispielsweise: Wie kann der Hetero-
genität der Bedürfnisse von Lernenden Rechnung getragen werden? Welche didaktischen Ansätze, welche
Organisationsformen und welche Technologien eignen sich für individualisiertes Lernen? Wie kann partizi-
pative Technikgestaltung systematisch genutzt werden? Eröffnet das Internet, eröffnen Computerspiele
neue Handlungsräume für die Geschlechter?
L3T
Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Title
- L3T
- Subtitle
- Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Editor
- Martin Ebner
- Sandra Schön
- Publisher
- epubli GmbH
- Location
- Berlin
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 3.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 594
- Keywords
- L3T, online
- Category
- Lehrbücher
Table of contents
- Einleitung 1
- Einführung 11
- Von der Kreidetafel zum Tablet 27
- Die Geschichte des WWW 39
- Hypertext 51
- Geschichte des Fernunterrichts 65
- Informationssysteme 75
- Webtechnologien 89
- Multimediale und interaktive Materialien 99
- Standards für Lehr- und Lerntechnologien 109
- Human-Computer-Interaction 117
- Didaktisches Handeln 127
- Medienpädagogik 139
- Systeme im Einsatz 147
- Kommunikation und Moderation 157
- Forschungszugänge und -methoden 167
- Planung und Organisation 177
- Literatur und Information 185
- Die „Netzgeneration“ 201
- Multimedia und Gedächtnis 209
- Mobiles und ubiquitäres Lernen 217
- Prüfen mit Computer und Internet 227
- Blogging und Microblogging 239
- Vom Online-Skriptum zum E-Book 249
- Educasting 257
- Game-Based Learning 267
- Einsatz kollaborativer Werkzeuge 277
- Offene und partizipative Lernkonzepte 287
- Qualitätssicherung im E-Learning 301
- Offene Lehr- und Forschungsressourcen 311
- Lernen mit Videokonferenzen 319
- Simulationen und simulierte Welten 327
- Barrierefreiheit 343
- Genderforschung 355
- Zukunftsforschung 363
- Kognitionswissenschaft 373
- Diversität und Spaltung 387
- Lern-Service-Engineering 397
- Medientheorien 405
- Das Gesammelte interpretieren 413
- Wissensmanagement 421
- Sieht gut aus 427
- Urheberrecht & Co. in der Hochschullehre 435
- Interessen und Kompetenzen fördern 445
- Spielend Lernen im Kindergarten 455
- Technologieeinsatz in der Schule 465
- Technologie in der Hochschullehre 475
- Fernstudium an Hochschulen 483
- Webbasiertes Lernen in Unternehmen 489
- E-Learning in Organisationen 497
- Erwachsenen- und Weiterbildung 507
- Freie Online-Angebote für Selbstlernende 515
- Sozialarbeit 525
- Human- und Tiermedizin 531
- Online-Labore 539
- Mehr als eine Rechenmaschine 547
- Bildungstechnologien im Sport 557
- Fremdsprachen im Schulunterricht 569