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In diesem Artikel werden die Auswirkungen der Kognitionswissenschaft auf unser Verstehen von
Lehr-Lernprozessen und auf die Verwendung von Lerntechnologien untersucht sowie zentrale Fragestellun-
gen und Konzepte der Kognitionswissenschaft beleuchtet.
Die Kognitionswissenschaft ist keine wissenschaftliche Disziplin im herkömmlichen Sinn, sondern ein
immer noch recht junges interdisziplinäres Forschungsfeld, in dem unterschiedliche Disziplinen gemeinsam
Antworten auf Fragen zur Kognition – Wahrnehmung, Denken und Handeln – suchen, die sie aus ihrer Per-
spektive und mit ihren Methoden allein nicht zufriedenstellend beantworten können. In gewisser Weise
stellt die Kognitionswissenschaft Fragen nach der Natur des Menschen, die sich Philosophen seit jeher stel-
len, und versucht diese interdisziplinär mit Mitteln der Psychologie, Linguistik, Neurowissenschaft, Biolo-
gie und Informatik zu beantworten. Letzterer kommt in der Entstehungsgeschichte dieses Forschungsfelds
wegen der damals neuen Methode der Computersimulation eine besondere Rolle zu.
Warum ist es lohnenswert, sich in einem so anwendungsbezogenen Feld, wie Lehren und Lernen mit Tech-
nologien überhaupt, mit Fragen und Konzepten aus der kognitionswissenschaftlichen Grundlagenforschung
auseinanderzusetzen? Wir sehen drei Gründe:
Aus vielen Modellen der kognitionswissenschaftlichen Grundlagenforschung ist Kognitionstechnik
geworden, mit der wir im Alltag ständig konfrontiert sind.
Lehrende und Lernende (und natürlich auch Designer/innen von Lerntechnologien) haben notwendi-
gerweise ein Konzept von Kognition und eine Theorie wie sie funktioniert. Die Frage ist lediglich,
wie bewusst und reflektiert diese persönliche Theorie ist und damit, ob sie zur Reflexion über die ei-
gene Praxis dienen kann.
Unsere Konzepte von Kognition haben eine Auswirkung auf die Vorstellung was Lernen ist und was
gelernt wird – und damit auf unseren Wissensbegriff. Hier sehen wir eine Nahtstelle zu Ergebnissen
der Bildungsforschung, die zeigen, dass unser Wissensbegriff Lernstrategien beeinflusst.
Dieses Kapitel orientiert sich in seinem Aufbau an den Phasen der Kognitionswissenschaft seit ihrer Entste-
hung. Diese ideengeschichtliche Betrachtung ist notwendig, um konkrete Implikationen auf aktuelle Fragen
des Lernen und Lehrens, des Wissens und zu Lerntechnologien abzuleiten. Ziel dieses Kapitels ist es zu
zeigen, wie Konzepte aus der kognitionswissenschaftlichen Grundlagenforschung Eingang in die Alltags-
sprache, in unser Denken über Lernprozesse und Wissen und letztlich in Technologien gefunden haben, mit
den wir tagtäglich interagieren, um so ein Denkwerkzeug für die Reflexion der eigenen Praxis zur Verfü-
gung zu stellen. Kein Ziel ist es hingegen, didaktische oder Usability-Rezepte auszustellen.
Eine fundierte Vorgeschichte würde im Rahmen dieses Buches zu weit führen, daher möchten wir hier nur
vier Strömungen und Ideen aus den Disziplinen Philosophie, Psychologie, Linguistik und Informatik skiz-
zieren, deren interdisziplinäres Zusammenwirken wesentlich für das Entstehen des neuen Forschungsfeldes
Kognitionswissenschaft war:
Die Vorstellung, dass menschliches Denken letztlich Rechnen sei, findet sich schon im 17. Jahrhundert
bei Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 – 1716), der, nebenbei bemerkt, auch das Binärsystem erfand, das mit
der Erfindung des Computers eine große Bedeutung erhalten sollte. Die Analytische Philosophie wurde An-
fang des 20. Jahrhunderts von den britischen Philosophen Bertrand Russell (1872–1970) und George Ed-
ward Moore (1873–1958) und vom Wiener Kreis begründet und kann als eine Fortführung der Leib-
niz'schen Ideen begriffen werden. Ihre Vertreter wiesen folgende Gemeinsamkeiten auf: Ein systemati-
sches, anstatt geschichtliches Herangehen an philosophische Fragen, eine Orientierung an empirischen
Wissenschaften sowie der Versuch eine logische Formalsprache (widerspruchsfreie Idealsprache) zu schaf-
fen, beziehungsweise die Analyse von Sprache mit Mitteln der Logik, mit dem Ziel, die angenommene lo-
gische Formalsprache hinter unserer Alltagssprache zu beschreiben. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass
viele Vertreter dieser Richtung vor dem nationalsozialistischen Regime fliehen mussten und ihre Arbeit in
England und den USA fortsetzten.
L3T
Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Title
- L3T
- Subtitle
- Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Editor
- Martin Ebner
- Sandra Schön
- Publisher
- epubli GmbH
- Location
- Berlin
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 3.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 594
- Keywords
- L3T, online
- Category
- Lehrbücher
Table of contents
- Einleitung 1
- Einführung 11
- Von der Kreidetafel zum Tablet 27
- Die Geschichte des WWW 39
- Hypertext 51
- Geschichte des Fernunterrichts 65
- Informationssysteme 75
- Webtechnologien 89
- Multimediale und interaktive Materialien 99
- Standards für Lehr- und Lerntechnologien 109
- Human-Computer-Interaction 117
- Didaktisches Handeln 127
- Medienpädagogik 139
- Systeme im Einsatz 147
- Kommunikation und Moderation 157
- Forschungszugänge und -methoden 167
- Planung und Organisation 177
- Literatur und Information 185
- Die „Netzgeneration“ 201
- Multimedia und Gedächtnis 209
- Mobiles und ubiquitäres Lernen 217
- Prüfen mit Computer und Internet 227
- Blogging und Microblogging 239
- Vom Online-Skriptum zum E-Book 249
- Educasting 257
- Game-Based Learning 267
- Einsatz kollaborativer Werkzeuge 277
- Offene und partizipative Lernkonzepte 287
- Qualitätssicherung im E-Learning 301
- Offene Lehr- und Forschungsressourcen 311
- Lernen mit Videokonferenzen 319
- Simulationen und simulierte Welten 327
- Barrierefreiheit 343
- Genderforschung 355
- Zukunftsforschung 363
- Kognitionswissenschaft 373
- Diversität und Spaltung 387
- Lern-Service-Engineering 397
- Medientheorien 405
- Das Gesammelte interpretieren 413
- Wissensmanagement 421
- Sieht gut aus 427
- Urheberrecht & Co. in der Hochschullehre 435
- Interessen und Kompetenzen fördern 445
- Spielend Lernen im Kindergarten 455
- Technologieeinsatz in der Schule 465
- Technologie in der Hochschullehre 475
- Fernstudium an Hochschulen 483
- Webbasiertes Lernen in Unternehmen 489
- E-Learning in Organisationen 497
- Erwachsenen- und Weiterbildung 507
- Freie Online-Angebote für Selbstlernende 515
- Sozialarbeit 525
- Human- und Tiermedizin 531
- Online-Labore 539
- Mehr als eine Rechenmaschine 547
- Bildungstechnologien im Sport 557
- Fremdsprachen im Schulunterricht 569