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Das Wesentliche ist, dass ein solches System ohne eine klassische Form der Repräsentation, das heißt ohne
eine Beschreibung, welche die Welt abbildet, auskommt. Stattdessen ist das Wissen in der Architektur sel-
ber verkörpert und dient der Generierung von Verhalten in Interaktion mit der Welt. An die Stelle eines ko-
gnitiven Prozesses, der aus Wahrnehmen, Planen/Entscheiden und Handeln besteht, tritt eine enge Koppe-
lung mit der Umwelt.
Die Basis dieser Architektur bilden Reflexbögen („layer“ oder Schichten), die Aufgrund von Umwelt-
reizen reagieren, bzw. gehemmt werden (denken Sie an den Lidschlußreflex). Untereinander sind die
Schichten hierarchisch gekoppelt, so dass ein Reflex die Ausführung eines anderen unterbinden kann, so-
bald er vom „richtigen“ Umweltereignis ausgelöst wird. Damit ist sichergestellt, dass der Roboter einerseits
fortlaufend auf Ereignisse in seiner Umwelt reagiert und andererseits selbst durch Aktivität für neue Ereig-
nisse sorgt. Die Aktivität der einzelnen Schichten wird über die Umwelt orchestriert, unabhängig davon,
aus wie vielen Schichten das System besteht. All das geschieht ohne Informationsaustausch. Es gibt weder
eine zentrale Planungs- und Entscheidungsinstanz, noch eine Abbildung der Welt.
Brooks’ Ansatz stellt ein Extrem dar, aber er illustriert einige Punkte, die generell kennzeichnend für
den Ansatz der embodied cognitive science sind (eine etwas ausführlichere Übersicht von Cowart (2006)
finden Sie in Tabelle 3) Kognition ist eine Aktivität: Die Handlung steht im Vordergrund, nicht die (passi-
ve) Perzeption. Untersucht wird Kognition an der Schnittstelle Körper – Umwelt, also an der Peripherie des
kognitiven Systems. Im Gegensatz zur klassischen Kognitionswissenschaft, die bei menschlichen kogniti-
ven Höchstleistungen ansetzte, beginnt dieser Ansatz mit sehr einfachen Strukturen und Verhaltensweisen,
aber dafür mit einem vollständigen, sich in seiner Umwelt autonom verhaltenden System.
Ganz ohne Repräsentation wird man nicht auskommen, wenn man menschliche Kognition verstehen will,
aber Kognition als rein „geistiges“, von Körper, physischer und sozialer Umwelt unabhängiges Phänomen
zu betrachten, führt ebenfalls in eine Sackgasse.
Ein Experiment, das diese Sichtweise stützt, kommt von Presson und Montello (1994) (Box „Aus der
Forschung“). Glenberg (1993) schließt daraus, dass unsere Repräsentationen keineswegs körperunabhän-
gig, sondern im Gegenteil, stark von der Position unseres Körpers im dreidimensionalen Raum abhängen.
Es legt nahe, dass die Repräsentation der Probandinnen und Probanden einen sensomotorischen Anteil hat-
te.
Francisco Varela postulierte bereits 1984, dass Intelligenz nicht mehr als die Fähigkeit des Problemlösens
zu verstehen sei, sondern als die Fähigkeit, in eine mit anderen geteilte Welt einzutreten (Varela, 1994). Ei-
nen Hinweis darauf, dass schon die Gegenwart anderer eine „geteilte Welt“ erzeugt, gibt das Experiment
von Sebanz et al. (2009) (Box: „Aus der Forschung: Gegenstände einprägen und soziale Situation“).
L3T
Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Title
- L3T
- Subtitle
- Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Editor
- Martin Ebner
- Sandra Schön
- Publisher
- epubli GmbH
- Location
- Berlin
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 3.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 594
- Keywords
- L3T, online
- Category
- Lehrbücher
Table of contents
- Einleitung 1
- Einführung 11
- Von der Kreidetafel zum Tablet 27
- Die Geschichte des WWW 39
- Hypertext 51
- Geschichte des Fernunterrichts 65
- Informationssysteme 75
- Webtechnologien 89
- Multimediale und interaktive Materialien 99
- Standards für Lehr- und Lerntechnologien 109
- Human-Computer-Interaction 117
- Didaktisches Handeln 127
- Medienpädagogik 139
- Systeme im Einsatz 147
- Kommunikation und Moderation 157
- Forschungszugänge und -methoden 167
- Planung und Organisation 177
- Literatur und Information 185
- Die „Netzgeneration“ 201
- Multimedia und Gedächtnis 209
- Mobiles und ubiquitäres Lernen 217
- Prüfen mit Computer und Internet 227
- Blogging und Microblogging 239
- Vom Online-Skriptum zum E-Book 249
- Educasting 257
- Game-Based Learning 267
- Einsatz kollaborativer Werkzeuge 277
- Offene und partizipative Lernkonzepte 287
- Qualitätssicherung im E-Learning 301
- Offene Lehr- und Forschungsressourcen 311
- Lernen mit Videokonferenzen 319
- Simulationen und simulierte Welten 327
- Barrierefreiheit 343
- Genderforschung 355
- Zukunftsforschung 363
- Kognitionswissenschaft 373
- Diversität und Spaltung 387
- Lern-Service-Engineering 397
- Medientheorien 405
- Das Gesammelte interpretieren 413
- Wissensmanagement 421
- Sieht gut aus 427
- Urheberrecht & Co. in der Hochschullehre 435
- Interessen und Kompetenzen fördern 445
- Spielend Lernen im Kindergarten 455
- Technologieeinsatz in der Schule 465
- Technologie in der Hochschullehre 475
- Fernstudium an Hochschulen 483
- Webbasiertes Lernen in Unternehmen 489
- E-Learning in Organisationen 497
- Erwachsenen- und Weiterbildung 507
- Freie Online-Angebote für Selbstlernende 515
- Sozialarbeit 525
- Human- und Tiermedizin 531
- Online-Labore 539
- Mehr als eine Rechenmaschine 547
- Bildungstechnologien im Sport 557
- Fremdsprachen im Schulunterricht 569