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So verstandene Plattformen erlauben die systematische Entwicklung von neuen Lern-Services auf der Basis
dokumentierter technischer, didaktischer und ökonomischer Erfahrungen und Erkenntnisse zu den verfüg-
baren Komponenten und deren Kombination. So können etwa positive Erfahrungen in Bezug auf eine be-
stimmte Verknüpfung von Inhaltstypen, Veranstaltungsphasen oder auch erfolgreiche Vorgehensweisen im
Rahmen eines Lern-Szenarios bei der Neuentwicklung eines technikgestützten Lernangebotes zugrunde ge-
legt werden. Die systematische Wiederverwendung von Komponenten, Veranstaltungsphasen und Lernsze-
narien bietet dabei erhebliches ökonomisches Potenzial, insbesondere wenn die Lehr-/Lernkomponenten ef-
fizient erstellt und eingesetzt sowie effektiv orchestriert werden.
Integriert man die aktuellen Entwicklungen im Web 2.0 in die Serviceplattform, muss zunächst festgestellt
werden, dass die ehemals nahezu ausschließlich konsumierenden Studierenden nun auch zu Lehrmittel-Pro-
duzenten beziehungsweise Produzentinnen werden können. Die Rolle der Lehrenden entfernt sich mithin
zunehmend von ehemals reinen Wissensvermittlern beziehungsweise Wissensvermittlerinnen, die eine
1:n-Beziehung aufbauen und erhalten müssen (Brauchle, 2007, 2). Das Selbstverständnis der Lehrenden
wandelt sich daher zu Coaches und Moderator/innen, welche eine aus n:m-Beziehungen bestehende Struk-
tur orchestrieren und koordinieren sollen. Dafür müssen Infrastrukturen geschaffen werden, die den Aufbau
und Erhalt der Beziehungen steuern können und geeignet sind, die Lehrmittelproduktion integrativ zu ge-
stalten.
Ein gutes Lernarrangement lässt sich somit als ein ziel- und nachfrageorientiertes Portfolio beschreiben,
welches die curricularen Rahmenbedingungen erfüllt und sich an den konkret zu erreichenden Lerntypen
orientiert. Bei der Auswahl geeigneter Module für ein Lernarrangement müssen jedoch nicht nur wissens-
vermittelnde E-Learning-Elemente berücksichtigt werden, sondern auch koordinierende Unterstützungssys-
teme. Dabei sollte abgewogen werden, wie zentralisiert die Koordination der Studierenden erfolgen soll.
Bei der Nutzung von Lern-Management-Systemen, wie Moodle oder Blackboard, werden Informationen
zentral ausgegeben und der Lehrende kontrolliert weitestgehend die Informationsverteilung. Vor dem Hin-
tergrund zunehmender Erfahrung bei der digitalen Vernetzung kann es jedoch auch sinnvoll sein, virtuelle
soziale Netzwerke in das Lehrkonzept zu integrieren. Diese ermöglichen eine (geleitete) Selbstkoordination
der Studierenden bei der Teambildung, der Gruppenarbeit und im gemeinsamen Lernprozess (Bukvova et
al., 2010). Virtuelle soziale Netzwerke können dabei die Interaktion zwischen Studierenden befördern und
somit die Interaktion innerhalb virtueller Gruppen steigern (Weber & Rothe, 2012). Im Ergebnis kann ver-
mutet werden, dass sich Netzeffekte zwischen eng verbundenen Studierenden einstellen, welche die grup-
penspezifische Ergebnisproduktion und die Vermittlung von Lehrinhalten positiv moderieren (Lehr, 2011).
Lehrende orchestrieren somit zunächst die Lehr-/Lernkomponenten in den Lernarrangements, begleiten die
darauf folgenden Lernprozesse und treten als Coaches bei der Nutzung der Komponenten auf.
Die gegenwärtigen Veränderungen im Bildungswesen begründen insbesondere aufgrund der Wettbewerbs-
intensivierung und der veränderten Rahmenbedingungen die Notwendigkeit einer sowohl ökonomisch als
auch didaktisch tragfähigen Leistungserstellungsstrategie von Hochschulen und anderen Bildungseinrich-
tungen. Großes Potenzial in diesem Zusammenhang birgt die Übertragung erprobter und etablierter Kon-
zepte aus anderen Dienstleistungs- bzw. Servicebranchen, was jedoch eine Interpretation von Bildungsan-
geboten als Dienstleistungen/Services (mit besonderen Eigenschaften und Rahmenbedingungen) impliziert.
Das vorgeschlagene Serviceverständnis von Bildung eröffnet ein Tor zu einer Bandbreite erprobter Kon-
zepte und Ansätze. Übertragen auf den Leistungsgegenstand der Lern-Services bietet beispielsweise der
skizzierte Systematisierungsansatz von technikgestützten Lehr-/Lernkomponenten eine Grundlage für ein
effizientes – also nach Kosten-/Nutzen-Gesichtspunkten verbessertes – Produktions- und Einsatzkonzept
benötigter Lehr-/Lerninhalte. Gleichzeitig lassen diese sich an die Erfordernisse des jeweiligen Lernarran-
gements anpassen. Auch der dargestellte serviceplattformbasierte Mass-Customization-Ansatz bietet Bil-
dungseinrichtungen Potenziale für eine standardisierungsbasierte Kostenorientierung. Er enthält gleichzei-
tig Möglichkeiten für eine auf Differenzierung ausgerichtete Individualisierung der Leistungsangebote. Zu-
dem fördert der Ansatz über die systematische Entwicklung und Bereitstellung der Lernszenarien als Ser-
viceplattformen die Verbreitung der Kenntnisse über den Einsatz und die Realisierung innovativer Lehr-
und Lernkonzepte in Hochschulen. Serviceplattformen berücksichtigen dabei insbesondere auch den
Grundgedanken der Orchestrierung unterschiedlicher Lehr-/Lernkomponenten, welche selbst erstellt, fremd
erworben oder durch Kooperation erarbeitet werden können. Im Vordergrund des Lern-Service-Engineering
steht daher allgemein die effiziente Übertragung, Adaption und Integration von konkreten Unterstützungs-
möglichkeiten für die Leistungserstellung im Bildungswesen.
L3T
Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Title
- L3T
- Subtitle
- Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Editor
- Martin Ebner
- Sandra Schön
- Publisher
- epubli GmbH
- Location
- Berlin
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 3.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 594
- Keywords
- L3T, online
- Category
- Lehrbücher
Table of contents
- Einleitung 1
- Einführung 11
- Von der Kreidetafel zum Tablet 27
- Die Geschichte des WWW 39
- Hypertext 51
- Geschichte des Fernunterrichts 65
- Informationssysteme 75
- Webtechnologien 89
- Multimediale und interaktive Materialien 99
- Standards für Lehr- und Lerntechnologien 109
- Human-Computer-Interaction 117
- Didaktisches Handeln 127
- Medienpädagogik 139
- Systeme im Einsatz 147
- Kommunikation und Moderation 157
- Forschungszugänge und -methoden 167
- Planung und Organisation 177
- Literatur und Information 185
- Die „Netzgeneration“ 201
- Multimedia und Gedächtnis 209
- Mobiles und ubiquitäres Lernen 217
- Prüfen mit Computer und Internet 227
- Blogging und Microblogging 239
- Vom Online-Skriptum zum E-Book 249
- Educasting 257
- Game-Based Learning 267
- Einsatz kollaborativer Werkzeuge 277
- Offene und partizipative Lernkonzepte 287
- Qualitätssicherung im E-Learning 301
- Offene Lehr- und Forschungsressourcen 311
- Lernen mit Videokonferenzen 319
- Simulationen und simulierte Welten 327
- Barrierefreiheit 343
- Genderforschung 355
- Zukunftsforschung 363
- Kognitionswissenschaft 373
- Diversität und Spaltung 387
- Lern-Service-Engineering 397
- Medientheorien 405
- Das Gesammelte interpretieren 413
- Wissensmanagement 421
- Sieht gut aus 427
- Urheberrecht & Co. in der Hochschullehre 435
- Interessen und Kompetenzen fördern 445
- Spielend Lernen im Kindergarten 455
- Technologieeinsatz in der Schule 465
- Technologie in der Hochschullehre 475
- Fernstudium an Hochschulen 483
- Webbasiertes Lernen in Unternehmen 489
- E-Learning in Organisationen 497
- Erwachsenen- und Weiterbildung 507
- Freie Online-Angebote für Selbstlernende 515
- Sozialarbeit 525
- Human- und Tiermedizin 531
- Online-Labore 539
- Mehr als eine Rechenmaschine 547
- Bildungstechnologien im Sport 557
- Fremdsprachen im Schulunterricht 569