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Es gibt eine Wahrnehmungstheorie, die für das Design von Benutzer/innen-Oberflächen besonders we-
sentlich ist - die Gestaltpsychologie. Diese Theorie besagt, dass wir Dinge ganzheitlich wahrnehmen und
Gegenstände gruppieren. Objekte, die nahe beieinander angeordnet und durch einfache geometrische For-
men von anderen Objekten abgegrenzt sind, werden als zusammengehörig empfunden. Einfachstes Beispiel
hierzu sind die in vielen Betriebssystemen verwendeten Fenster für die Gruppierung von Dateien. Diese
Tatsache wird in der visuellen Gestaltung dazu genutzt, die Wahrnehmung auch zu führen.
Doch wie werden nun die Augenbewegungen aufgezeichnet und für die gestalterische Optimierung vi-
sueller Reize nutzbar gemacht? Heutzutage kommt gerade im kommerziellen Bereich (beispielsweise im
Marketing und in der Werbeforschung) meist die Infrarotmethode zum Einsatz, weshalb hier aus Gründen
der Übersichtlichkeit nur diese kurz vorgestellt werden soll. Bei dieser Methode wird infrarotes Licht von
einem Gerät, dem sogenannten Eye-Tracker, ausgestrahlt und das von der Hornhaut (Cornea) reflektierte
Infrarotlicht dann von einem Sensor des Eye-Trackers wieder aufgefangen. Aufgrund eines vorherigen Ka-
librierungsprozesses kann anhand der Geometrie dieser Reflexionspunkte anschließend die Blickrichtung
sehr präzise bestimmt werden (Zu weiteren Methoden der Blickregistrierung siehe beispielsweise Duchow-
ski, 2007).
Wieso aber sind Blickbewegungen für das Lernen so wichtig? Grundsätzlich legt man zwei Annahmen
von Just und Carpenter (1980) der Interpretation von Augenbewegungen zu Grunde: Erstens die Eye-Mind-
Assumption, welche unterstellt, dass die aktuell betrachtete visuelle Information auch aktuell kognitiv er-
fasst/verarbeitet wird. Visuelle Informationen, welche in günstiger Form dargeboten werden (siehe die Ge-
staltungsempfehlungen im nachfolgenden Kapitel), können demzufolge einfacher erfasst und verarbeitet
werden, was die kognitiven Ressourcen der Lernenden schont. Zweitens die Immediacy-Assumption, wo-
nach die längere Fixation eines visuellen Reizes auch eine intensivere geistige Bearbeitung bedeutet. Aller-
dings können lange Betrachtungszeiten auch gerade ein Hinweis darauf sein, dass der betrachtete Stimulus
entweder sehr schwer erkennbar (beispielsweise sehr klein gedruckter Text) oder aber sehr schwer zu ver-
stehen (beispielsweise in einer Fremdsprache verfasster Text) ist. Blickbewegungen können demzufolge ei-
nen Rückschluss auf Aufmerksamkeitsprozesse zulassen (mehr zu spezifischen Interpretationsansätzen von
Sakkaden und Fixationen siehe Holmqvist et al.,2011).
Die Relevanz der visuellen Wahrnehmung und damit auch der Notwendigkeit geeigneter Messmethoden
kann also nicht genug betont werden: Untersuchungen aus dem Bereich der Arbeitspsychologie zeigen bei-
spielsweise, dass ein Großteil der relevanten Arbeitsinformationen visueller Natur sind (Holmqvist et al.,
2011). Dies dürfte beim Lernen nicht anders sein.
Während uns die psychologische Forschung ermöglicht, die Grundlagen der visuellen Wahrnehmung zu
verstehen, ergänzt das traditionsreiche Berufsfeld des Visual Design diesen Forschungsansatz um die prak-
tische Umsetzung von Gestaltungsmaßnahmen. In der Praxis können wir daher die aus der Forschung be-
kannten Effekte im Diskurs der visuellen Gestaltung wiedererkennen; sie werden meist schon geraume Zeit
für die Fokussierung und Steuerung von Wahrnehmungsprozessen genutzt (beispielsweise der oben er-
wähnte Pop-Out-Effekt).
L3T
Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Title
- L3T
- Subtitle
- Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Editor
- Martin Ebner
- Sandra Schön
- Publisher
- epubli GmbH
- Location
- Berlin
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 3.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 594
- Keywords
- L3T, online
- Category
- Lehrbücher
Table of contents
- Einleitung 1
- Einführung 11
- Von der Kreidetafel zum Tablet 27
- Die Geschichte des WWW 39
- Hypertext 51
- Geschichte des Fernunterrichts 65
- Informationssysteme 75
- Webtechnologien 89
- Multimediale und interaktive Materialien 99
- Standards für Lehr- und Lerntechnologien 109
- Human-Computer-Interaction 117
- Didaktisches Handeln 127
- Medienpädagogik 139
- Systeme im Einsatz 147
- Kommunikation und Moderation 157
- Forschungszugänge und -methoden 167
- Planung und Organisation 177
- Literatur und Information 185
- Die „Netzgeneration“ 201
- Multimedia und Gedächtnis 209
- Mobiles und ubiquitäres Lernen 217
- Prüfen mit Computer und Internet 227
- Blogging und Microblogging 239
- Vom Online-Skriptum zum E-Book 249
- Educasting 257
- Game-Based Learning 267
- Einsatz kollaborativer Werkzeuge 277
- Offene und partizipative Lernkonzepte 287
- Qualitätssicherung im E-Learning 301
- Offene Lehr- und Forschungsressourcen 311
- Lernen mit Videokonferenzen 319
- Simulationen und simulierte Welten 327
- Barrierefreiheit 343
- Genderforschung 355
- Zukunftsforschung 363
- Kognitionswissenschaft 373
- Diversität und Spaltung 387
- Lern-Service-Engineering 397
- Medientheorien 405
- Das Gesammelte interpretieren 413
- Wissensmanagement 421
- Sieht gut aus 427
- Urheberrecht & Co. in der Hochschullehre 435
- Interessen und Kompetenzen fördern 445
- Spielend Lernen im Kindergarten 455
- Technologieeinsatz in der Schule 465
- Technologie in der Hochschullehre 475
- Fernstudium an Hochschulen 483
- Webbasiertes Lernen in Unternehmen 489
- E-Learning in Organisationen 497
- Erwachsenen- und Weiterbildung 507
- Freie Online-Angebote für Selbstlernende 515
- Sozialarbeit 525
- Human- und Tiermedizin 531
- Online-Labore 539
- Mehr als eine Rechenmaschine 547
- Bildungstechnologien im Sport 557
- Fremdsprachen im Schulunterricht 569