Page - 446 - in L3T - Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
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Ein Raum voller Laptops, Mikrocontroller, Bastelmaterialien, Lötkolben und vieler eifriger Kinder. Das Si-
gnal zur Mittagspause wurde überhört. Was ist denn hier los? Wir befinden uns in einem Kinder-Workshop
zum Bauen und Programmieren von kleinen Robotern. Die Kinder entwickeln eine Abenteuergeschichte, in
der diese Roboter Aufgaben lösen müssen. Die Geschichte, die Roboter, die Aufgaben: Alles erfinden die
Kinder selbst. Sie gestalten sowohl die Idee als auch die Maschinen und tüfteln an Fehlern in der Program-
mierung, wenn der Roboter nicht tut, was er soll.
Der vorliegende Beitrag beschreibt eine Art des Lernens, bei der nicht die Inhalte des Lernens durch ei-
ne Lerntechnologie vermittelt werden, sondern bei der die Technologie selbst zum Lerngegenstand wird.
Digitale Technologien verändern unseren Alltag und die Gesellschaft. Überall in unserer Umgebung ist
Technologie zu finden – kleine Computer sind in vielen Alltagsgegenständen verbaut und steuern Systeme
z. B. im Auto, im Küchenherd und im Geldautomaten. Was müssen Anwender/innen über die Funktions-
prinzipien wissen? Wie kann ihr Interesse gefördert werden? Wie können sie technisches Verständnis über
die Funktionsweise, für die Entwicklung und Veränderung von Technologien gewinnen, ohne eine techni-
sche Grundausbildung zu absolvieren? Der Beitrag stellt mögliche Aktivitäten und Projektideen vor und
zeigt die pädagogischen Relevanzen auf.
Konstruierendes Programmieren bietet diverse Potenziale, die sich zum einen auf den Erwerb von Fähig-
keiten und Kenntnissen, zum anderen auf die Förderung einer Allgemeinbildung in der technisierten Ge-
sellschaft beziehen.
Die automatisierte, algorithmusgesteuerte Verarbeitung von Informationen unterscheidet die neuen digita-
len von den traditionellen Medien. Sie erfordert daher auch eine verstärkte Auseinandersetzung mit der da-
hinter liegenden Technologie. Wie bedeutsam eine grundlegende Kenntnis der technologischen Funktions-
prinzipien nicht nur für das Individuum, sondern auch für Gesellschaft und Politik ist, zeigt die Häufung
datenschutzrechtlicher Skandale, wie zuletzt die automatisierte Durchleuchtung des globalen E-Mail-Ver-
kehrs durch Geheimdienste.
Die großen technologischen Entwicklungen beeinflussen die Gesellschaftsentwicklung auf allen Ebe-
nen, zum Beispiel Kultur, Wirtschaft und Politik, sie verändern aber auch das individuelle Alltagsleben.
Technologische Medien nutzen zu können, reicht als Bildungsziel nicht aus. Ihre Funktionsweisen und
Auswirkungen müssen verstanden werden, da Technologisierung unser Leben unabhängig davon beein-
flusst, ob wir Technologien nutzen (wollen) oder nicht. Die Verbindung technischer Kenntnisse mit Überle-
gungen zu ihrer gesellschaftlich-kulturellen Relevanz ist daher essenziell, um eine reflexive Positionierung
der Lernenden in einer technisierten Welt anzuregen (Zorn, 2012).
Als einer der ersten Erfinder/innen pädagogischer Lernsettings mit konstruierendem Programmieren entwi-
ckelte Seymour Papert – angelehnt an den Konstruktivismus (siehe #lerntheorien) – eine Lerntheorie, die er
‚Konstruktionismus‘ nannte (Papert, 1980; Harel & Papert, 1991). Der Konstruktionismus basiert – wie der
Konstruktivismus – auf der Vorstellung, dass Wissen von den Lernenden selbst ‚konstruiert‘ wird, und dass
sich für diese Konstruktion insbesondere die Erstellung von Artefakten eignet. Papert zeigte auf, wie Kin-
der durch die Programmierung der Bewegung kleiner Schildkröten auf dem Bildschirm (sogenannte Turt-
les) elementare Grundprinzipien von Mathematik und Logik verstehen lernen und anwenden. Als bedeut-
sam hob er hervor, dass sie diese Prinzipien aufgrund der eigenen kreativen Konstruktion herausfinden, ihre
Bedeutung verstehen und diese auf ihren eigenen Bedarf anwenden können, ohne Lehrbuchtexte auswendig
zu lernen. Dadurch erhalten mathematische, programmiertechnische Kenntnisse eine Relevanz im Leben
der Lernenden, was zum einen ihr Interesse, zum anderen ihre Fähigkeiten positiv beeinflusst.
Während in kreativen Lernkontexten in Asien und USA Lernaktivitäten, bei denen Technologien eine zen-
trale Rolle spielen, in Freizeit, Schule und Hochschule immer häufiger angeboten und beschrieben werden,
beginnt ihre Popularität im deutschsprachigen Raum erst zu wachsen. Die Möglichkeiten zur Erhöhung des
naturwissenschaftlich-technischen Interesses und einer MINT-bezogenen Berufswahl (MINT steht für:
L3T
Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Title
- L3T
- Subtitle
- Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien
- Editor
- Martin Ebner
- Sandra Schön
- Publisher
- epubli GmbH
- Location
- Berlin
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 3.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 594
- Keywords
- L3T, online
- Category
- Lehrbücher
Table of contents
- Einleitung 1
- Einführung 11
- Von der Kreidetafel zum Tablet 27
- Die Geschichte des WWW 39
- Hypertext 51
- Geschichte des Fernunterrichts 65
- Informationssysteme 75
- Webtechnologien 89
- Multimediale und interaktive Materialien 99
- Standards für Lehr- und Lerntechnologien 109
- Human-Computer-Interaction 117
- Didaktisches Handeln 127
- Medienpädagogik 139
- Systeme im Einsatz 147
- Kommunikation und Moderation 157
- Forschungszugänge und -methoden 167
- Planung und Organisation 177
- Literatur und Information 185
- Die „Netzgeneration“ 201
- Multimedia und Gedächtnis 209
- Mobiles und ubiquitäres Lernen 217
- Prüfen mit Computer und Internet 227
- Blogging und Microblogging 239
- Vom Online-Skriptum zum E-Book 249
- Educasting 257
- Game-Based Learning 267
- Einsatz kollaborativer Werkzeuge 277
- Offene und partizipative Lernkonzepte 287
- Qualitätssicherung im E-Learning 301
- Offene Lehr- und Forschungsressourcen 311
- Lernen mit Videokonferenzen 319
- Simulationen und simulierte Welten 327
- Barrierefreiheit 343
- Genderforschung 355
- Zukunftsforschung 363
- Kognitionswissenschaft 373
- Diversität und Spaltung 387
- Lern-Service-Engineering 397
- Medientheorien 405
- Das Gesammelte interpretieren 413
- Wissensmanagement 421
- Sieht gut aus 427
- Urheberrecht & Co. in der Hochschullehre 435
- Interessen und Kompetenzen fördern 445
- Spielend Lernen im Kindergarten 455
- Technologieeinsatz in der Schule 465
- Technologie in der Hochschullehre 475
- Fernstudium an Hochschulen 483
- Webbasiertes Lernen in Unternehmen 489
- E-Learning in Organisationen 497
- Erwachsenen- und Weiterbildung 507
- Freie Online-Angebote für Selbstlernende 515
- Sozialarbeit 525
- Human- und Tiermedizin 531
- Online-Labore 539
- Mehr als eine Rechenmaschine 547
- Bildungstechnologien im Sport 557
- Fremdsprachen im Schulunterricht 569