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Die Leiden des jungen Werthers
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“hier herein!” denn sie hatte noch alte PrĂ€tensionen an den Teil des Pfarrhofes, wo die BĂ€ume standen, und verkaufte sie an den Meistbietenden. Sie liegen! O, wenn ich FĂŒrst wĂ€re! Ich wollte die Pfarrerin, den Schulzen und die Kammer— FĂŒrst!—ja wenn ich FĂŒrst wĂ€re, was kĂŒmmerten mich die BĂ€ume in meinem Lande! Am 10. Oktober Wenn ich nur ihre schwarzen Augen sehe, ist mir es schon wohl! Sieh, und was mich verdrießt, ist, daß Albert nicht so beglĂŒckt zu sein scheinet, als er— hoffte—als ich—zu sein glaubte—wenn—ich mache nicht gern Gedankenstriche, aber hier kann ich mich nicht anders ausdrĂŒcken—und mich dĂŒnkt deutlich genug. Am 10. Oktober Ossian hat in meinem Herzen den Humor verdrĂ€ngt. Welch eine Welt, in die der Herrliche mich fĂŒhrt! Zu wandern ĂŒber die Heide, umsaust vom Sturmwinde, der in dampfenden Nebeln die Geister der VĂ€ter im dĂ€mmernden Lichte des Mondes hinfĂŒhrt. Zu hören vom Gebirge her, im GebrĂŒlle des Waldstroms, halb verwehtes Ächzen der Geister aus ihren Höhlen, und die Wehklagen des zu Tode sich jammernden MĂ€dchens, um die vier moosbedeckten, grasbewachsenen Steine des Edelgefallnen, ihres Geliebten. Wenn ich ihn dann finde, den wandelnden grauen Barden, der auf der weiten Heide die Fußstapfen seiner VĂ€ter sucht und, ach, ihre Grabsteine findet und dann jammernd nach dem lieben Sterne des Abends hinblickt, der sich ins rollende Meer verbirgt, und die Zeiten der Vergangenheit in des Helden Seele lebendig werden, da noch der freundliche Strahl den Gefahren der Tapferen leuchtete und der Mond ihr bekrĂ€nztes, siegrĂŒckkehrendes Schiff beschien. Wenn ich den tiefen Kummer auf seiner Stirn lese, den letzten verlassenen Herrlichen in aller Ermattung dem Grabe zuwanken sehe, wie er immer neue, schmerzlich glĂŒhende Freuden in der kraftlosen Gegenwart der Schatten seiner Abgeschiedenen einsaugt und nach der kalten Erde, dem hohen, wehenden Grase niedersieht und ausruft: “Der Wanderer wird kommen, kommen, der mich kannte in meiner Schönheit, und fragen: ‘wo ist der SĂ€nger, Fingals trefflicher Sohn?’ Sein Fußtritt geht ĂŒber mein Grab hin, und er fragt vergebens nach mir auf der Erde.”—O Freund! Ich möchte gleich einem edlen WaffentrĂ€ger das Schwert ziehen, meinen FĂŒrsten von der zĂŒckenden Qual des langsam absterbenden Lebens auf einmal befreien und dem befreiten Halbgott meine Seele nachsenden. Am 19. Oktober 63
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Die Leiden des jungen Werthers
Title
Die Leiden des jungen Werthers
Author
Johann Wolfgang von Goethe
Date
1774
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
95
Categories
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