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werden, dass sich der Gegenstandsbereich erziehungswissenschaftlicher Bil-
dungsforschung von dem anderer Disziplinen dadurch unterscheide, dass er
„das Ganze pädagogischer Prozesse“ umfasse, während andere Disziplinen je-
weils nur einen Ausschnitt davon im Blick hätten. Doch die Rede vom „Blick“
und der Verweis auf eine spezifische „Reflexivität“ machen deutlich, dass es
dabei weniger um eine Bestimmung des Gegenstandsbereichs geht als viel-
mehr um eine besondere Perspektive auf diesen Gegenstandsbereich. Insofern
gehört dieses Argument eher zu den Versuchen, die Spezifik erziehungswis-
senschaftlicher Bildungsforschung über „einheimische“ Begriffe bzw. diszip-
linspezifische Perspektiven zu bestimmen, von denen weiter unten die Rede
sein soll.
Ein weiteres Argument gegen die Annahme eines eigenständigen Gegen-
standsbereichs erziehungswissenschaftlicher Bildungsforschung schließlich
stammt aus der wissenschaftstheoretischen Debatte und besagt, dass die Ge-
genstände einer wissenschaftlichen Disziplin nie einfach gegeben sind oder
vorgefunden werden, sondern stets Resultate eines Prozesses der Gegen-
standskonstitution darstellen, der insbesondere von den jeweiligen methodi-
schen und begrifflich-theoretischen Zugängen abhängig ist. Auch deshalb
scheint es aussichtsreicher, die Besonderheit erziehungswissenschaftlicher
Bildungsforschung über ihre Methoden und/oder ihre „einheimischen“ Be-
griffe und Theorien zu bestimmen.
Verfügt die Erziehungswissenschaft über besondere
Methoden der Erkenntnisgewinnung?
Ein zweites klassisches Kriterium für die Eigenständigkeit einer Disziplin be-
steht in der Frage, ob eine Wissenschaft über eigene Methoden der Erkennt-
nisgewinnung verfügt. Im Bereich der Empirischen Bildungsforschung scheint
dieses Kriterium allerdings kaum geeignet, die Spezifik einer Wissenschaft zu
begründen, kann doch keine der in Betracht kommenden Disziplinen beanspru-
chen, auf ganz spezifische, nur ihr eigene Methoden zurückzugreifen. Wie im
letzten Abschnitt zitiert, hatte schon Wolfgang Brezinka in Abrede gestellt,
dass die Erziehungswissenschaft „Anspruch auf eine nur ihr eigentümliche
Methode“ erheben könne (Brezinka 1978: 69), und auch in dem eingangs er-
wähnten Call for Papers des DGfE-Vorstands von 2017 hieß es:
„Die quantitativen wie die qualitativen (oder rekonstruktiven) Forschungsmethoden sind
vielmehr längst zum gemeinsamen Repertoire der verschiedenen sozialwissenschaftlichen
Disziplinen geworden, sodass eine Unterscheidung danach kaum möglich sein dürfte.“
(DGfE 2017, zit. n. Koller/Kessl/Schmidt 2018: 7)
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Lernprozesse über die Lebensspanne
Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern
Veröffentlicht mit Unterstützung der Fakultät für Kulturwissenschaften der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
- Title
- Lernprozesse über die Lebensspanne
- Subtitle
- Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern
- Authors
- Monika Kastner
- Jasmin Donlic
- Barbara Hanfstingl
- Editor
- Elisabeth Jaksche-Hoffman
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8474-1467-4
- Size
- 14.7 x 21.0 cm
- Pages
- 190
- Category
- Lehrbücher