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Ethos des neuen 21. Jahrhunderts und unserer globalisierten Welt“ (Wulff
2007: 5). Jede Veränderung oder Innovation eröffnet ein Spannungsfeld zwi-
schen Gewinn und Verlust: Möglicher Gewinn zeigt sich in neuem Wissen,
neuen Fähigkeiten, neuen Erfahrungen, also letztlich im Lernen. Möglicher
Verlust ist durch das Aufgeben von Routinen und Gewohnheiten gekennzeich-
net. Damit wird ein Spannungsfeld zwischen Innovations- oder Lernfähigkeit
einer Organisation und deren Stabilität deutlich. Gerade der Schulbereich
zeichnet sich durch die immanente Dualität zwischen Bewahren und Verän-
dern aus, in welcher sich die gesellschaftliche Dynamik zwischen Kontinuität
(Reproduktion) und Wandel (Transformation) widerspiegelt (Schratz/Hart-
mann 2007).
Innovationen, welche mit Qualitätsentwicklung einhergehen, werden im
Allgemeinen positiv bewertet. Wenn sich Innovation und Veränderung aber
als Dauerzustand erweisen und Personen oder Institutionen von einer Innova-
tion zur nächsten „hetzen“, bleibt als letzte Konstante nur die Veränderung.
Wenn Innovationsprozesse nicht durch Phasen der Konsolidierung unterbro-
chen werden, wird der damit verbundene ideelle und materielle Aufwand ent-
wertet (Kinchington 2004). Dazu stellen Anderson und Stiegelbauer (1994:
281) fest: „In this view, change has an end point, the outcome of which is
freezing new practices and resistance to further change.“ Das Spannungsfeld
zwischen Nachhaltigkeit und Innovation kann im Schulbereich und insbeson-
dere in der LehrerInnenfortbildung dazu führen, dass (zu) viele Veränderungen
und (zu) häufige Innovationen nicht zum erhofften Ziel, der langfristigen Si-
cherung und Entwicklung von Qualität, beitragen, sondern diesem Ziel sogar
entgegenlaufen. Die beteiligten Lehrkräfte sehen sich dabei mit zwei konkur-
rierenden Erwartungshaltungen und normativen Ansprüchen konfrontiert: Ei-
nerseits ist jede Innovation im Schulbereich zu begrüßen, Reformen und le-
benslanges Lernen (sowie die damit einhergehenden Veränderungen) werden
positiv bewertet; gleichzeitig wird aber eine Stabilisierung, Verstetigung und
Institutionalisierung der Ergebnisse von Veränderungen und Reformen ange-
strebt, was die Lehrkräfte letztlich in einem Dilemma zurücklässt. Innovatio-
nen ohne Konsolidierungsphasen führen dazu, dass Lehrkräfte im Laufe der
Zeit den Sinn und den Zweck von individuell professioneller Entwicklung oder
Schulentwicklung nicht mehr erkennen (können): „The result is one of disori-
entation and powerlessness; change, consequently, is viewed with antago-
nism.“ (Kinchington 2004: 111) Noch drastischer bringt Hargreaves (2002:
189) dieses Spannungsfeld auf den Punkt: „Over time, change is a serial kil-
ler.“
Die Begriffe „Nachhaltigkeit und Innovation stehen in einer sehr engen
wechselseitigen Beziehung zueinander“ (Junker 2005: 1). Sie widersprechen
und ergänzen sich zugleich. Diese Dialektik der Begriffe begründet letztend-
lich die Dynamik, die durch ihre Kombination ausgelöst wird. Insgesamt gilt
es, den goldenen Mittelweg – ein ausgewogenes Verhältnis von Verändern und
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book Lernprozesse über die Lebensspanne - Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern"
Lernprozesse über die Lebensspanne
Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern
Veröffentlicht mit Unterstützung der Fakultät für Kulturwissenschaften der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
- Title
- Lernprozesse über die Lebensspanne
- Subtitle
- Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern
- Authors
- Monika Kastner
- Jasmin Donlic
- Barbara Hanfstingl
- Editor
- Elisabeth Jaksche-Hoffman
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8474-1467-4
- Size
- 14.7 x 21.0 cm
- Pages
- 190
- Category
- Lehrbücher