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94 Wenn man der historisch begründbaren Einschätzung folgt, dass Reifeprü-
fungen primär als Zugangsschranke zu der mit hohem ökonomischen Ertrag
und sozialem Prestige verbundenen hochschulischen Berufsbildung (den klas-
sischen Professionen) „von oben her“ etabliert wurden und dem materiell-in-
haltlichen Motiv der Studierfähigkeit auf Basis allgemeiner Bildung gemäß
gymnasialer Lehrpläne (von „unten her“ begründet) erst nachträglich Bedeu-
tung verliehen wurde, so wäre davon Abstand zu nehmen, einen/eine hyposta-
sierte/-n gymnasiale/-n „Normstudienanfänger/-in“ für hochschulische Curri-
culumentwicklung anzunehmen (vgl. Schlögl 2019: 510) oder den Studienall-
tag sowie die hochschuldidaktische Umsetzung daran zu orientieren. Dies gilt
für die Hochschulpolitik, die Hochschulsteuerung inklusive Qualitätssiche-
rung und die Forschung gleichermaßen.
Das Grundprinzip Hochschulreife muss von nicht-traditionellen Studieren-
den durch ein ausgefeiltes Zulassungsverfahren und/oder ergänzende Prüfun-
gen nachgewiesen werden, denn die gesellschaftlich vorherrschende Grundan-
nahme der Höherwertigkeit schulisch erworbener Allgemeinbildung setzt Stu-
dierfähigkeit ungebrochen mit schulischen Reifezeugnissen gleich (ebd.). Eine
hypostasierte Minderheitssituation, die durch non-traditional zum Ausdruck
gebracht wird, ob faktisch gegeben oder nicht, führt zu einem Anpassungs-
druck auf Seiten der Individuen, nicht aber der hochschulischen Strukturen.
Fragen der Fremd- und Selbstselektion sowie der Fairness von Einzelzulas-
sungsverfahren stellen sich hier in weiterer Folge und sind forscherisch noch
wenig bearbeitet.
Prominent artikulierte Ansprüche, seitens der Hochschulen neue und bisher
noch unberücksichtigte Zielgruppen anzusprechen, verweisen auf vorausset-
zungsreiche, weitreichende Wirkungen in die komplexen Strukturen hoch-
schulischer Bildung. Diesbezüglich werden in der österreichischen Strategie
für lebensbegleitendes Lernen zielgruppenadäquate Lehr- und Lernmethoden
genannt, diese sollen dabei „Teil des Selbstverständnisses [sein] wie die zeit-
liche Flexibilisierung“ (BMUKK et al. 2011: 29) und sollen befördert werden.
Inwiefern dieses Ansinnen unter den zunehmend kompetitiven Bedingungen,
unter denen Hochschulen agieren müssen, realistische Chancen auf zeitnahe
Umsetzung hat, kann an dieser Stelle nicht abgeschätzt werden. Die Perspek-
tive der Studierenden wurde in der Studie (vgl. Stopper/Kandutsch 2019) aber
zunächst schon eingeholt, es wird sich zeigen, welche Schlüsse daraus gezogen
werden und welche Maßnahmen folgen.
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book Lernprozesse über die Lebensspanne - Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern"
Lernprozesse über die Lebensspanne
Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern
Veröffentlicht mit Unterstützung der Fakultät für Kulturwissenschaften der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
- Title
- Lernprozesse über die Lebensspanne
- Subtitle
- Bildung erforschen, gestalten und nachhaltig fördern
- Authors
- Monika Kastner
- Jasmin Donlic
- Barbara Hanfstingl
- Editor
- Elisabeth Jaksche-Hoffman
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8474-1467-4
- Size
- 14.7 x 21.0 cm
- Pages
- 190
- Category
- Lehrbücher