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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
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29 | www.limina-graz.eu machtdoppel von Bewachen und Überwachen, sondern über die Steuerung von Sehnsüchten. Als ökonomisches System basiert der Kapitalismus auf drei, eigentlich recht einfachen Prinzipien: „Erstens beruht der Kapitalismus auf individuellen Eigentumsrechten und dezentralen Entscheidungen“, die zu „Resultaten“ führen, „sowohl Gewinnen als auch Verlusten, die Individuen zugeschrieben werden. [...] Zweitens findet im Kapitalismus die Koordinierung der verschiedenen wirtschaftlichen Akteure vor allem über Märkte und Preise, durch Wettbe- werb und Zusammenarbeit, über Nachfrage und Angebot, durch Verkauf und Kauf von Waren statt. Das ‚zur Ware werden‘, die Kommodifizierung von Ressourcen, Produkten, Funktionen und Chancen ist zentral.“ Drit- tens aber „ist Kapital grundlegend für diese Art des Wirtschaftens. Das impliziert Investition und Reinvestition von Ersparnissen und Erträgen in der Gegenwart im Streben nach Vorteilen in der Zukunft.“ (Kocka 2013, 20–21) Den Kapitalismus zeichnet, so Jürgen Kocka in seiner Geschichte des Kapi- talismus, somit individuelles Gewinnstreben, Marktkoordination und Zu- kunftsorientierung aus. Das bricht mit einigen bis dorthin ziemlich ungeteilt geltenden Logiken. Der Kapitalismus wechselt von der altruistischen Ansprache an die Men- schen zum Appell an seinen Egoismus, er ersetzt die konkrete Benennung und Markierung von Herrschaft (Gott/Obrigkeit/Vater) durch eine ano- nyme (der „Markt“ und die Wirkungen seiner „unsichtbaren Hand“), und er tauscht die klassische legitimatorische Ursprungsorientierung tradi- tionaler Gesellschaften mit einer gegenwartsbasierten Zukunftsorientie- rung aus: Man muss sich heute anstrengen, damit es einem morgen besser geht – und dieses Morgen kann schnell kommen. Der Kapitalismus be- freit damit vom moralischen Zwang zum Altruismus, von herkömmlichen Herrschaftsträgern und von Traditionsorientierung. Er entwickelt darin eine ungeheure Faszination und eine beispiellose Dynamik. Lange wollte man gerade diesseits des Marxismus glauben, dass dieser fundamentale Bruch mit bisherigen gesellschaftlichen Prinzipien nicht auf das Selbst des Individuums zurückschlägt, sondern durch spezifische Techniken von ihm ferngehalten werden könne. Die Fiktion konnte auf- Rainer Bucher | Die aktuelle Logik der Welt Der Kapitalismus befreit vom moralischen Zwang zum Altruismus, von herkömmlichen Herrschaftsträgern und von Traditionsorientierung.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Volume 1:1
Title
Limina
Subtitle
Grazer theologische Perspektiven
Volume
1:1
Editor
Karl Franzens University Graz
Date
2018
Language
German
License
CC BY-NC 4.0
Size
21.4 x 30.1 cm
Pages
236
Categories
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